Unternehmer*innen-Karriere, Stufe 3: Die späte Karriere
Bewältigung der Midlife-Phase und Vorbereitung auf den Rückzug
- Unternehmer*innen-Karriere, Stufe 1: Vorbereitung auf die Geschäftsführung.
- Unternehmer*innen-Karriere, Stufe 2: Geschäftsführung: frühe und mittlere Karriere.
- Unternehmer*innen-Karriere, Stufe 3: Die späte Karriere.
Die Unternehmer-Karriere, die Laufbahn einer Unternehmerin kann typischerweise in 3 groß Stufen strukturiert werden. Die mittlere Stufe beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem die Unternehmer*in sich bewusst entscheidet, die Geschäftsführung alleine oder mit anderen zu übernehmen. Das Ende dieser Phase ist weniger klar definiert: Sie endet näherungsweise zu der Zeit, da der Unternehmer den Zenit seines Unternehmens-Daseins erreicht hat und beginnt, das Ende zu sehen und in Betracht zu ziehen. Das ist typischerweise in der Mitte des Lebens, wenn die Unternehmerin, wie auch andere Menschen, das gesamte Leben das ganze Leben auf ihren Radarschirm zu nehmen und damit auch das Ende. Viele erleben zu diesem Zeitpunkt eine (konstruktive) Krise, in der sie ihr ganzes Leben – und damit auch ihr Unternehmertum – in Frage zu stellen. Mit diesen Überlegungen beginnt die 3., die späte Stufe der Unternehmerinnen-Laufbahn. Alles davor war die erste Stufe.
Phase 7: Krise der mittleren Jahre
Wie bereits angedeutet könne zahlreiche Krisen die UnternehmerInnen-Karriere beeinflussen. Edgar Schein hat sie als besondere Krise bzw. Phase in der allgemeinen beruflichen Karriere-Entwicklung herausgenommen. Sie betrifft auch und vielleicht in besonderer Weise die unternehmerische Karriere.
Warum sind UnternehmerInnen in besonderer Weise von der Midlife-Crisis betroffen? In der Mitte des Lebens (Lebensalter: 42 +/- 7 Jahre1) wechselt für viele die Lebens-Perspektive. Nach C. G. Jung steht in der ersten Hälfte des Lebens, am ‚Lebens-Vormittag‘ der Blick nach außen , die Extraversion ist im Vordergrund. Das äußere Leben wird aufgebaut, ein Beruf wird gefunden, eine Familie aufgebaut, ein Platz in der Gesellschaft erobert, …
In der Mitte des Lebens, dem Lebens-Mittag, an dem die ‚Lebens-Sonne‘ am Höhepunkt angelangt ist, wechselt die Perspektive. Während vorher so gelebt wird, als könnte man ewig leben, rückt jetzt das Lebensende ins Bewusstsein: „Ich habe nur mehr eine begrenzte Zeit zu leben.“ Mit diesem Bewusstseins-Wandel kommen viele Fragen.
- Habe ich bisher ‚richtig‘ gelebt?
- Macht mein Leben einen Sinn?
- … 2
Unternehmer*innen erleben die Midlife Crisis deswegen in besonderer Weise bzw. in einer besonderen Intensität, weil die Herausforderungen des Unternehmens das Engagement für das Unternehmen oft völlig vereinnahmen. Sie gehen ganz im Unternehmens-Geschehen auf, vernachlässigen oft ihre privates und Familien-Leben und vor allem ihr Innenleben. Die Reflexion auf das Innenleben und auf das Ende des Lebens kann daher eine besondere Erschütterung hervorrufen oder auch eine totale Abwehr dieser inneren Impulse. Wenn die Krise zugelassen wird, sehen sich viele UnternehmerInnen auf diese Herausforderung wenig vorbereitet. Je weniger die sinn-orientierte und introvertierten Impulse gelebt wurden, desto stärker können sich diese in der Mitte des Lebens nach außen drängen und den Lebens-Entwurf völlig verändern.
Es gibt auch Unternehmer*innen, die sich von ihrem Unternehmen so vereinnahmt fühlen, oder die Auseinandersetzung mit diesen Fragen so gefährlich sehen, dass sie relativ deutliche Krisensymptome ignorieren und abwehren und ihr Leben weiterleben wie bisher – mit unterdrückter inneren Dynamik. Dann ist es wie bei jeder Entwicklungs-Krise: sie kommt später stärker und mit negativeren Auswirkungen, wenn sie unterdrückt wird oder führt zu innerern Leere oder psychischen Störungen.
Manche Biografie-Forscher sprechen von einer weiteren Krise Ende 50 / Anfang 603. Sie tritt besonders dann auf, wenn die Midlife-Krise ‚versäumt‘ wurde.
Es kommt aber auch vor, dass die Krise nie durchlebt wird. Dies verhindert einen wichtigen Entwicklungs-Impuls und kann zu Erstarrung, Versteinerung und Verbitterung in den letzten Lebensphasen führen. Die Entwicklung des Archetypus zum ‚weisen alten Mann‚ und zur ‚weisen alten Frau‚, die für die weitere Unternehmens-Entwicklung sehr wichtig sein kann, wird so verhindert und Lebensqualität eingebüßt.
Phase 8: Second Wind
Wird die Krise in der Mitte des Lebens gut bewältigt, so kommt man in eine Phase neuer Kraft, die Energie, Motivation und Engagement aktiviert. In Analogie zu einem Phänomen im Sport wird diese Phase „Second Wind“ genannt. Im Ausdauer-Sport, besonders im Laufsport kennt man das Phänomen, dass nach einer Phase der Ermüdung und Erschöpfung plötzlich neue Energie generiert wird, sodass man sich anschließend frischer und dynamischer fühlt, als zu Beginn der sportlichen Tätigkeit. 4 Bereits ein alter Klassiker der Psychologie, William James, wies 1907 auf dieses Phänomen hin. 5
Diese Energiezunahme kann auch dazu führen, dass eine Phase der Unternehmens-Entwicklung eingeleitet wird, vielleicht die Eroberung neuer Märkte, verbunden mit Digitalisierung, vielleicht ein neues Geschäfts-Modell oder die Einführung von Innovationen.
Die Midlife Crisis kann aber auch dazu führen, dass das Unternehmen verkauft, übergeben, abgegeben und ein neues Tätigkeitsfeld ins Leben kommt. Der Second Wind kommt dann in diesem Tätigkeits-Bereich zum Tragen.
Phase 9: Loslösung
In dieser Phase kommt – früher oder später) – die Zeit, selbst an die Übergabe zu denken und der oben beschriebene Prozess der Nachfolge beginnt aus der anderen Rolle, der Rolle des Übergebers. Jetzt steht nicht die verantwortungsvolle Übernahme, sondern das Loslassen und die verantwortungsvolle Übergabe im Vordergrund – mit allen (auch finanziellen) Konsequenzen. Erleichtert wird der Prozess, wenn der Übergeber für den Ruhestand rechtzeitig finanziell vorgesorgt hat.
Wichtig ist hier vor allem, rechtzeitig mit der Planung und den Vorbereitungsaufgaben zu beginnen. Häufig erfolgt die Übergabe Schritt für Schritt, was meist auch sinnvoll ist. Es gibt jedoch auch Fälle von plötzlicher Übergabe, durch besondere Ereignisse oder auch völlig bewusst („Weil mein Vater das auch so gemacht hat.“).
Nicht selten arbeiten die Übergabe aber noch weiterhin im Unternehmen mit – ein Tatbestand, der aber auch zu Konflikten führen kann, vor allem, wenn man von der früheren Rolle in der Unternehmensführung nicht loslassen kann und sich in Unternehmens-Entscheidungen einmischt. Eine zurückhaltende Mentoren-Rolle ist jedoch sinnvoll, ebenso die Bereitschaft, familiäre Hilfe (als Oma und Opa in der Kinderbetreuung) anzubieten.
Phase 10 Ruhestand
Diese Phase gestaltet sich oft anders als beim ‚angestellten‘ Ruhestand. Meist bleibt man irgendwie mit dem Unternehmen verbunden. Im positivsten Fall wird man zum Mentor oder zur Mentorin. Oft steht man einige Zeit als Aushilfe zur Verfügung oder kann als Oma und Opa der Unternehmer-Familie zur Seite stehen und dabei neue Freuden empfinden.
Eine gut geplante und gestaltete Zeit des Ruhestands hilft auch dem Unternehmen. Gerät man in dieser Phase in eine Pensions-Krise, so belastet das häufig die Nachfolger, bindet deren Energien und bringt Unruhe ins Unternehmen. Ist man im Unternehmen ein gern gesehener Gast, der vielleicht auch im Notfall noch einspringen kann, so hat man diese Phase aus der Sicht des Unternehmens gut geschafft.
Selbstreflexion für Unternehmer*innen
- Bin ich bereits in der dritten, der späten Phase der Unternehmer-Entwicklung?
- Wenn ja:
- Wie habe ich den Übergang in diese Phase erlebt? Wurde er durch einen äußeren Anlass oder durch inneres Erleben ausgelöst.
- Wie habe ich die Mitdlife Crisis erlebt?
- Erlebe ich genug Sinn und Erfüllung in meinem Leben? Hat das einen Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit?
- Habe ich einen Energieschub des ’second wind‘ erlebt? Wie hat er sich bei mir ausgewirkt?
- Wie leicht wird es mir fallen, von der Geschäftsführung loszulassen? Will ich dann eine andere Rolle im Unternehmen einnehmen oder lieber völlig aus dem Unternehmen ausscheiden?
- Welche Vorstellungen habe ich von meinem Leben in Ruhestand?
- Wenn nein:
- Bin ich auf diese Phase gut vorbereitet?
- Was kann ich jetzt tun, um die Chance zu erhöhen, diese Phase gut erleben zu können?
- Wenn ja:
Weitere Querverweise
- Querverweise gesammelt in: Übersicht „Karriere“-Cluster.
Links und Literatur
Karriere- und Lebens-Phasen
- Literatur gesammelt in: Übersicht „Karriere“-Cluster.
Unternehmer – Nachfolger
- Literatur gesammelt in: Übersicht „Karriere“-Cluster.
- Biographie-Forscher behaupten, dass ca. alle 7 Jahre eine neue Lebensphase eintritt. Ein volles Leben wird mit ca 12 Lebens-Phasen à 7 Jahren = 84 Jahren angenommen. Das sind natürlich nur Orientierungs-Punkte ↵
- Vgl. dazu die Reflexionsfragen am Ende des Beitrags ↵
- In der astrologischen Psychologie wird diese Krise mit einem Saturn-Transit begründet. Vgl. dazu z. B. Herbert Reichhelm: Saturns Wiederkehr oder Reinhard Müller: Veränderung, Krise, Umbruch ↵
- Vgl. o. A.: „Runner Glossary„. Road Runner Sports. (Schlagwort: Second Wind) ↵
- William James: The Energies of Men. in psychoclassics (Posted January 2001). First published in Science, 1907, N.S. 25 (No. 635), 321-332 – „The existence of reservoirs of energy that habitually are not tapped is most familiar to us in the phenomenon of ‚second wind.‘ Ordinarily we stop when we meet the first effective layer, so to call it, of fatigue. We have then walked, played, or worked ‚enough,‘ and desist. That amount of fatigue is an efficacious obstruction, on this side of which our usual life is cast. But if an unusual necessity forces us to press onward, a surprising thing occurs. The fatigue gets worse up to a certain critical point, when gradually or suddenly it passes away, and we are fresher than before. We have evidently tapped a level of new energy, masked until then by the fatigue-obstacle usually obeyed. There may be layer after layer of this experience. A third and a fourth ‚wind‘ may supervene. Mental activity shows the phenomenon as well as physical, and in exceptional cases we may find, beyond the very extremity of fatigue-distress, amounts of ease and power that we never dreamed ourselves to own, sources of strength habitually not taxed at all, because habitually we never push through the obstruction, never pass those early critical points.“ ↵