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Borderline-Störungen und Stile

Der Ausbruch eines Vulkans in arktischer, eisiger Landschaft ist ein Symbol Borderline-Persönlichkeits-Störung aber auch für die sprunghafte Persönlichkeits-Struktur. Im Bild der Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 in Island.

Borderliner, so nennt man in der Alltagssprache Menschen mit Borderline-Merkmalen werden generell als sehr schwierig beschrieben, als Menschen die sich selbst und ihr Partner*innen und andere Menschen in ihrem engeren Umkreis (persönlich und beruflich) unglücklich machen.

Borderline ist eine Persönlichkeits-Störung. Aber Störung ist nicht Störung. Es gibt Störungen unterschiedlicher Schwere / Intensität und am unteren Ende der Intensität geht sie in einen Persönlichkeitsstil über, einer Persönlichkeits-Struktur die der Borderline-Störung entspricht mit abgeschwächten negativen und verstärkten positiven Aspekten.1

Persönlichkeitsmodelle / PSP

Die Entsprechung von Störung und Stilen gibt es bei allen Persönlichkeitsstörungen. Manche Persönlichkeitsmodelle bauen darauf auf und entwickeln zu den wichtigsten Persönlichkeits-Störungen den jeweiligen Persönlichkeits-Stil. Das relativiert ein Stück die Abwertung der Störung. Im Stil sind die Probleme und Schwierigkeiten geringer ausgeprägt oder fallen sogar weg und die Stärken und Potenziale sind stärker ausgebildet und werden ergänzt. Das zeigt, dass wir alle Ecken und Kanten in unserer Persönlichkeit haben und versuchen sollten sie bei uns und bei anderen zu akzeptieren. So können wir Abwertungen und Stigmatisierungen vermeiden und aus einer Diversity-Perspektive sogar zu schätzen.2

Ein Persönlichkeitsmodell, das sich direkt mit den Ecken und Kanten der Persönlichkeit, den Persönlichkeits-Störungen und Stilen beschäftigt, ist der PSP (Personality Self Portrait) von Oldham und Morris.3

 

Das Borderline-Syndrom

Die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit, in Persönlichkeits-Störungen, die nicht extrem sind, auch Persönlichkeits-Stile mit Ecken und Kanten, aber auch Stärken zu sehen, will ich am Beispiel des Borderline-Syndroms zeigen.

Im Personality Self Portrait werden Persönlichkeits-Störungen auf der Basis eines psychischen Diagnosesystems, das vor allem in englischsprachigen Regionen verwendet wird (DSM III-R bzw. DSM III, DSM IV und DSM V) beschrieben und definiert.4

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Diagnosesysteme für Persönlichkeits-Störungen beschreiben die Borderline-Persönlichkeit als Menschen, die emotional sehr instabil und sind, die in einer Art Achterbahn zwischen Verzweiflung und Wut, Angst und Arroganz, Abhängigkeit und Starrsinn wechseln und dabei sehr leidenschaftlich und unglücklich sind.5

„Für Menschen, bei denen der Sprunghafte Persönlichkeitsstil dominiert, ist das Leben eine Achterbahn – und sie bestehen darauf, dass Sie eine Fahrt mitmachen. Von den Höhen zu den Tiefen erfüllt Intensität jeden ihrer Atemzüge. Sie sehnen sich nach Erfahrung und springen mit beiden Füßen in eine neue Liebe oder einen neuen Lebensstil hinein, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Kein anderer Stil einschließlich des Dramatischen ist so leidenschaftlich in seinem Wunsch, mit dem Leben und anderen Menschen in Verbindung zu treten. Und kein anderer Stil hält die Veränderungen des emotionalen Wetters, die ein solch fieberhaft gelebtes Leben mit sich bringt, so gut aus.“

Demensprechend beziehe sich auch die Beschreibungsmerkmale auf diese Bindungen, Intensität, Emotionalität und Leidenschaft. 6 konkrete Charakteristika werden angegeben:6

„1. Romantische Bindungen. Sprunghafte Männer und Frauen müssen immer eine tiefe, romantische Beziehung zu einem Menschen haben,
2. Intensität. In all ihren Beziehungen ist die Zuneigung leidenschaftlich und konzentriert. Nichts, was zwischen ihnen und anderen Menschen geschieht, ist trivial, nichts wird leicht genommen.
3. Herz. Sie zeigen, was sie fühlen. Sie agieren und reagieren emotional. Bei sprunghaften Menschen ist das Herz immer beteiligt.
4. Ungezwungenheit. Sie sind hemmungslos, spontan, lieben Spaß und haben keine Angst vor Risiken.
5. Aktivität. Der sprunghafte Typ ist von Energie gekennzeichnet, ist lebhaft, kreativ und hat ein einnehmendes Wesen.
6. Aufgeschlossenheit. Sie sind phantasievoll und neugierig und bereit, andere Kulturen, Rollen und Wertsysteme zu erleben, mit ihnen zu experimentieren und neuen Pfaden zu folgen.“

Glückliche Borderliner in glücklichen Beziehungen

Glückliche Beziehungen sind also auch beim Borderline-Syndrom möglich. Voraussetzung ist, dass nicht die extrem negativen Merkmale der Persönlichkeits-Störung ins Zentrum gesetzt wird, sondern die ambivalenten (sowohl positiven als auch negativen) Merkmale der sprunghaften Persönlichkeit. Das sind positive und negative Merkmale, wie sie in diesem aber prinzipiell auch jedem anderen Persönlichkeit enthalten sind.

Sprunghafte Persönlichkeiten, d. h. Persönlichkeiten, bei denen das sprunghafte Muster im Verhältnis zu anderen Persönlichkeits-Mustern stark ausgebildet ist, sind natürlich nicht geeignete, schon gar nicht ideale Partner*innen für alle. Menschen, die ein ruhiges, emotions- und leidenschaftsloses bzw. -armes Leben führen wollen, sollten enge Bindungen mit sprunghaften Persönlichkeiten eher meiden. Für Menschen, denen ein ereignis- und emotions-armes Leben ein Horror ist und die Überraschungen positiv erleben, können jedoch mit sprunghaften Partner *innen ein glückliches und gelingendes Leben führen und das Zusammenleben mit sprunghaften Partnerinnen wertschätzen.

Querverweise

 

Links und Literatur

The New Personality Self-Portrait

John Oldham, Lois B. Morris: The New Personality Self-Portrait. Why You Think, Work, Love and Act the Way You Do. Random House Publishing Group, 2012 – Basis DSM IV (deutsch: Ihr Persönlichkeits-Portrait. warum Sie genauso denken, lieben und sich verhalten, wie Sie es tun. Klotz 2010 – Basis DSM III)

weitere Literatur in

 

Borderline Persönlichkeitsstörung / -Syndrom

Literatur in

  1.    Literaturhinweise zu Persönlichkeits-Störungen und -Stilen gibt es einem Überblicks-Blog
  2.   Zum Problem der Stigmatisierung von Persönlichkeits-Störungen vgl. den Beitrag zu Persönlichkeits-Störungen und -Stilen. Auch Hinweise zur Transformation von Störungen in Stilen finden sich dort. 
  3.   Vgl. John Oldham, Lois B. Morris: The New Personality Self-Portrait.
  4.   Literaturhinweise zum DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“) und zum europäischen Äquivalent, dem ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) in der derzeit letzten Version ICD-11 finden sich im Übersichtsblog zu Persönlichkeits-Störungen.  
  5.   Grobbeschreibung der Borderline-Persönlichkeitsstörung in John Oldham, Lois B. Morris: Ihr Persönlichkeits-Portrait:

    „Verzweiflung, Wut und Raserei, Hass auf sich selbst, Arroganz, Angst, Unsicherheit und Leere, klammernde Abhängigkeit, herausfordernder Starrsinn, gewaltsame selbstschädigende Impulse gehören zu den Qualen der Menschen, die an der Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden. Sie sind verzweifelt, leidenschaftlich und instabil. Sie können ihre Fähigkeiten und Talente nicht nutzen, sie haben furchtbare Angst davor, allein zu sein, und sie zerstören die Beziehungen, ohne die sie nicht leben können. Menschen, die diese Störung haben, leben in ewiger seelischer Not. Und die, die mit ihnen zusammen sind, sind mit ihnen in einem Strudel gefangen.“

    Die zentralen Kriterien Ihres Verhaltens und Erlebens („diagnostische Kriterien“) sind u.a.:

    • extrem instabile Beziehungen, in dem ihre Partner*innen einmal idealisiert und im nächsten Augenblick stark abgewertet werden
    • starke Stimmungsschwankungen
    • unkontrollierte Wutausbrüche
    • Gefühle der Leere und Langeweile
    • geht bis zu Suizidandrohungen und Selbstverstümmelungen.[1.  Diagnosekriterien in John Oldham, Lois B. Morris: Ihr Persönlichkeits-Portrait:

    „Das DSM-III-R beschreibt die Borderline-Persönlichkeitsstörung als:
    Ein durchgängiges Muster von Instabilität im Bereich der Stimmung, der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Selbstbilds. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter, und die Störung manifestiert sich in den verschiedensten Lebensbereichen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
    1. Ein Muster von instabilen, aber intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, das sich durch einen Wechsel zwischen den beiden Extremen der Überidealisierung und Abwertung auszeichnet;
    2. Impulsivität bei mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten, z.B. Geldausgeben, Sexualität, Substanzmissbrauch, Ladendiebstähle, rücksichtsloses Fahren und Fressanfälle (außer Suizid oder Selbstverstümmelung …);
    3. Instabilität im affektiven Bereich, z.B. ausgeprägte Stimmungsänderungen von der Grundstimmung zu Depression, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Zustände gewöhnlich einige Stunden oder, in seltenen Fällen, länger als einige Tage andauern;
    4. übermäßige, starke Wut oder Unfähigkeit, die Wut zu kontrollieren, z.B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut oder Prügeleien;
    5. wiederholte Suiziddrohungen, -andeutungen oder -versuche oder selbstverstümmelnde Verhaltensweisen;
    6. ausgeprägte und andauernde Identitätsstörung, die sich in Form von Unsicherheit in mindestens zwei der folgenden Lebensbereiche manifestiert: dem Selbstbild, der sexuellen Orientierung, den langfristigen Zielen oder Berufswünschen, in der Art der Freunde oder Partner oder in den persönlichen Wertvorstellungen;
    7. chronisches Gefühl der Leere oder Langeweile;
    8. verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern (außer Suizid oder Selbstverstümmelung …).“

    Der sprunghafte Stil (»Feuer und Eis«)

    Oldham und Morris transformieren die Borderline-Störung in eine Persönlichkeits-Struktur, die durch gemäßigte Ausprägungen der Muster gekennzeichnet ist und auch Stärken und Potenziale enthält. Zentrale Kennzeichen dieses Stils ist der Wunsch nach einem intensiven Leben und vor allem nach intensiven und leidenschaftlichen Beziehungen geprägt ist:[1.  Globale Beschreibung des sprunghaften Stils in John Oldham, Lois B. Morris: Ihr Persönlichkeits-Portrait

  6.   Die sechs Charakteristika des sprunghaften Stils in John Oldham, Lois B. Morris: Ihr Persönlichkeits-Portrait

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