Print Friendly, PDF & Email
Eine Schriftsäule („Stele“) des Codex Hammurabi, eine der ältesten Normensammlung des babylonischen Königs Hammurabi. Sie regelt das Zusammenleben in Mesopotamien. Die Doritstele ist im Louvre ausgestellt.

Aufgabe von Führungskräften (FK) ist es unter anderem,

  • … ihren Mitarbeiter*innen (MA) einen Rahmen zu geben, einen Rahmen innerhalb dessen sie sich frei bewegen können, Entscheidungen treffen und Handlungen setzen können. Dieser Rahmen ist die Summe der offiziellen (und inoffiziellen?) Normen.
  • Abweichungen anzusprechen, wenn das Verhalten der MA diesen Rahmen überschreitet. Ist die Abweichung gering, so kann das Ansprechen, ev. verbunden mit einer kurzen Klärung genügen.
  • Ist die Abweichung bedeutend, so müssen ev. intensivere Klärungs-Gespräche folgen, vielleicht auch verbunden mit Vereinbarungen, Maßnahmen oder sogar Sanktionen. Das ist der Kern der disziplinarischen Führung, verbunden mit der disziplinarischen Weisungsbefugnis.

Abweichungen ansprechen

Wenn MA zu spät kommen, fehlerhaft arbeiten, Termine nicht einhalten, nicht erlaubte Handlungen durchführen usw., dann ist es Aufgabe der FK das anzusprechen. Die FK gibt damit den MA zu verstehen, dass sie es bemerkt hat. Ob ein kurzes Ansprechen („zwischen Tür und Angel“) genügt oder ob eine weitere Klärung notwendig ist, hängt vom Ausmaß der Abweichung (5 Minuten oder 5 Stunden zu spät), Häufigkeit des Vorkommens (einmalig, selten, häufig, …), Schwere der Konsequenzen (keine direkten Konsequenzen, werden andere MA in ihrer Arbeit behindert, Kunde muss nicht warten, …) usw. ab.

Es ist nicht Aufgabe der FK, die Abweichungen in einem ärgerlichen, emotionalen oder wütenden Ton anzusprechen. Im Gegenteil, das ist unprofessionell. Das Ansprechen der Abweichung gehört zur („selbstverständlichen“) Aufgabe der FK und daher von ihr auch emotional neutral zu erledigen, wie andere Aufgaben auch.

Ärgert sich eine FK trotzdem – und meine Erfahrungen bestätigen dies häufig -, dann kann es daran liegen, dass sie ihre Führungsaufgaben nicht kennen, was aus meiner Erfahrung auch häufig der Fall ist. Sie sehen es nicht als ihre Aufgabe, hier tätig zu werden, sondern als unnötige Störung, die sie von ihren eigentlichen Aufgaben, nämlich fachliche, operative Aufgaben zu erledigen abhält. Dass zeigt ein Leadership-Defizit und kann und soll in Führungsschulungen / Management Development beseitigt werden. Das ist der einfachere Fall.

Schwieriger ist es, wenn die Ursache der Emotionalität nicht in fachlicher Unkenntnis liegt, sondern in der Person / Persönlichkeit der Führungskraft. z. B. in unbewussten Projektionen oder Übertragungen. Es kann sein, dass die FK in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen, die mit diesem Fehlverhalten in Verbindung stehen (z. B. Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit) gemacht und diese Erfahrungen emotional noch nicht verarbeitet hat.

Im Extremfall kann sogar ein unbewusster psychischer Komplex angesprochen werden. Dann wird die FK sogar laut werden und emotional explodieren, ein für FK unpassendes Verhalten. Eine reflektierte FK wird erkennen, dass hier „alte Gefühle“ im Spiel sind und dann auch leichter ihre Gefühle unter Kontrolle haben, es in ihrem Führungstagebuch vermerken und bei passender Gelegenheit allein oder mit einem Coach oder anderen vertrauten Person verarbeiten. Dann hat das Ereignis dazu beigetragen, wieder einen persönlichen Entwicklungsschritt zu vollziehen. Und es ist (lebenslange) Aufgabe einer Führungskraft für eine persönliche Weiterentwicklung zu sorgen. Schließlich ist ihre Persönlichkeit das wichtigste Führungs-Instrument!

Einen Rahmen setzen

Um Abweichungen adäquat ansprechen zu können, ist es notwendig (möglichst eindeutig) zu erkennen, was eine Abweichung ist. Hier gibt es oft deutliche Interpretations-Unterschiede (je nach Standpunkt / Perspektive) und daher sollte „der Rahmen“, innerhalb derer sich die MA bewegen können / sollen / dürfen

  • möglichst klar und deutlich und
  • mit einem Commitment / Akzeptanz der MA (und der Chefs)

versehen sein.

Die Entwicklung eines Handbuchs (Firmenhandbuch, Abteilungshandbuch, Führungshandbuch …) ist ein nützliches Führungsinstrument dafür. In diesem Handbuch werden die Normen (Dürfen und Sollen) des sozialen Systems (Unternehmen, Abteilung, Team, …) festgehalten. Dies ist eine wesentliche Determinante des Verhaltens.

Das Führungshandbuch

Entwicklung und Revision des Handbuchs

Damit das Handbuch auch wirkt und es nicht „tote Normen“ enthält sollte die Akzeptanz der MA und FK, die es betrifft möglichst hoch sein. Es gilt ein Commitment aller Betroffenen zu erreichen – besonders der MA. Das Führungshandbuch sollte keine sinnlosen Regelungen enthalten – sowohl aus der Sicht (Perspektive) der MA als auch der FK / des Managements.

Das Handbuch existiert in mehreren Versionen.

  • Als reines Führungshandbuch enthält es Themen der Führung, der Führungs-Kommunikation, des Umgangs miteinander, … .
  • Als Organisationshandbuch (Unternehmens-Handbuch, Abteilungs-Handbuch, …) regelt es den organisatorischen Rahmen des jeweiligen Führungsbereichs (Zeitnormen, Arbeitszeiten, Spesenabrechnung, Postverteilung, Müllverteilung, …), manchmal sogar auch die einzelnen Aufgaben, Prozesse und Prozeduren.

 

Es gibt unterschiedliche Wege, dieses Handbuch zu entwickeln, z. B.

  • die FK / Unternehmer*in entwickelt einen Vorschlag, der dann mit den MA besprochen und diskutiert wird.
  • Das Handbuch entsteht aus den Besprechungen von Problemen in den MA-Meetings und den dort getroffenen Vereinbarungen.
  • Eine Liste der Punkte, die im Handbuch enthalten sein sollten wird gemeinsam erstellt und die Ausarbeitung aufgeteilt (auf MA und FK).
  • Bisherige Vereinbarungen, implizite und explizite Regeln werden gesammelt und laufend ergänzt.

Mögliche Inhalte

Die Inhalte unterscheiden sich, je nachdem, ob es für ein ganzes Unternehmen oder eine organisatorische Untereinheit (Bereich, Abteilung, Team) erstellt wird, von der Größe dieses sozialen Systems, ob es sich um eine Produktions- oder Dienstleistungs-Einheit (oder …) handelt usw.

Es kann sich um einen bloßen Leitfaden, der Prozesse steuern soll, handeln, oder auch normative Elemente (Firmenphilosophie, Mission, Vision, globale Ziele …) oder strukturelle Elemente (Organigramm, Stellenbeschreibung / Verantwortungen, …) enthalten. Die Handbücher enthalten direkte Informationen und/oder Links zu anderen Dokumenten.

Sinnvoll ist es, die Werte hinter den Regelungen auch zu explizieren, das erhöht Verständlichkeit und Akzeptanz.

Beispiele für Inhalte

Kommunikation mit den Kunden

  • in unterschiedlichen Medien im Alltag
    • persönlich
    • am Telefon
    • in E-mails
  • in schwierigen Situationen, Problemen, Konflikten, bei Fehlern

Umgang / Kommunikation mit Lieferanten, Herstellern, Partnern

Teamverhalten, Kommunikation im Team (interne Kommunikation)

  • Umgang miteinander
  • Kommunikation und Verhalten in Gesprächen, Meetings
    • Einzelgespräche
    • Team-Meeting
    • MAG
  • Online-Gespräche, Online-Meetings
  • Team Events (Weihnachtsfeier, …)

Inanspruchnahme von Produkten / Dienstleistungen des Unternehmens

  • Kauf von selbst hergestellten oder vertriebenen Produkten
  • Ausleihen von Betriebsmitteln / Werkzeugen
  • Inanspruchnahme von Dienstleistungen
  • Rabatte

Speisen, Getränke

  • Bezahlung, Umgang mit Alkohol

Arbeitszeiten

  • Regelarbeitszeit
  • Umgang mit Pausen / Rauchen
  • Überstundenregelungen, Erfassung, Abbau
  • Sonntage, Feiertage
  • Krankheitstage: Meldungen, …
  • Urlaub, Urlaubsvertretungen, Übergabegespräche
  • externe Auftritte, Schulungen, Messen
  • Reisen, Reisekosten

Finanzen, Abrechnungen

  • Befüllung der Handkassa
  • Kassabuch
  • Belege für Handkassenauszahlungen
  • Reise-Kosten und -Spesenabrechnung

Posteingang, Postverteilung, Postausgang

  • allgemein
  • Eingangsrechnungen
  • Ausgangsrechnungen
  • Mahnwesen (Mahnprozess, Eingang und Ausgang an Zahlungserinnerungen und Mahnschreiben, Mahnlauf, …)
  • Rücksendungen

Umgang mit Fehlern, Fehlerkultur

Einführung neuer MA

Ordnung und Hygiene

  • Erscheinungsbild
  • Werkstätten
  • Schreibtische

Umgang mit Firmenfahrzeugen

Müllordnung

Qualitätsmanagement

Grundsätzliche Verantwortungen

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert