Im August in Osage County – Der Leichenschmaus für den Vater öffnet Familiengeheimnisse – Film-Interpretation

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Life is very long“
T.S. Eliot1

Eine schwarze Familien-Tragikomödie mit Star-Besetzung, hervorragend gespielt (Meryl Streep, Julia Roberts, Ewan Mc Gregor, Chris Cooper, …) und bestens inszeniert von John Wells. Ein Muss für alle, die anspruchsvolle Filme mögen und / oder am Funktieren oder Nicht-Funktionieren von Familien-Systemen interessiert sind. Der Film erhielt 2014 je 2 Oscar- und Golden-Globe-Nomierungen für Meryl Streep und Julia Roberts.2

Der Plot

Der Film handelt von der Beziehung einer krebskranken verbitterten und aggressiven Mutter Violet Weston zu ihren drei Töchtern. Barbara, Ivy und Karen. Die Töchter waren schon lange nicht zusammen, jetzt hat sich ihr Vater das Leben genommen. Er ist verschwunden und wird erst 5 Tage später ertrunken aufgefunden. Zuvor hatte er noch ohne Absprache mit seiner Frau eine Haushaltshilfe aufgenommen.

Die Protagonistin: Meryl Streep als Violet, Mutter von 3 erwachsenen Töchtern

Die Weston-Töchter kommen alle mit ihren (Ex-)Partnern und Kindern zur Mutter, um ihr zu helfen und am Begräbnis teilzunehmen. Nach dem Begräbnis findet ein Leichenschmaus statt. Dabei entfaltet sich die (negative) Familien-Dynamik: die Stimmung eskaliert, nicht bewältigte Konflikte flammen auf, Familien-Geheimnisse werden gelüftet, Tränen fließen und die Weston-Töchter werden unbarmherzig mit ihrem missglückten Leben konfrontiert – vor allem durch die aggressiven Angriffe ihrer Mutter Violet („Was ist aus euch geworden?“). Man könnte das „aggressive Trauer-Verarbeitung“ nennen. Sie sagt, sie will nur die Wahrheit auf den Tisch bringen. („Ich sage nur die Wahrheit.“). Alle Beschwichtigungs-Versuche der Anderen (vor allem von Charles) schlagen fehl.  Der Konflikt geht bis zu körperlichen Attacken, als Barb versucht, ihrer Mutter die Valium-Tabletten wegzunehmen. Aber es  entstehen auch neue Annäherungen.

Alle an einem Tisch: Die Familie beim Leichenschmaus. Das Bild aus der Sicht von Violet. Sie ist nicht auf dem Bild. Von links vorne: Ivy, Karen, Steve, Little Charles, Charles, Bill, Jean, Barb, Mattie Fae

In Einzelgesprächen am nächsten Tag wird mancher Konflikt erst verständlich. Familien-Geheimnisse stehen dahinter. Aber auch neue Konflikte  entstehen, Übergriffe finden statt. (Karens Verlobter nähert sich  Barbs 14-jähriger pubertierenden Tochter). Die Familienmitglieder und ihre Partner zeigen sich in ihrer jeweiligen Verletzlichkeit und offenbaren auch die dunklen Seiten ihrer Psyche. Der Film ist ein Familien-Drama, es gibt kein glückliches Ende. Am Ende fahren alle wieder nach Hause und die krebskranke Mutter bleibt mit der Haushaltshilfe zurück.

Zoff am Tisch: Violet und ihre älteren Töchter Barb und Ivy

Die Filmhandlung umfasst wenige Tage in der brütenden Hitze des Augusts in Ausage County, einem Bezirk Oklahomas. Der Ort gab dem Film seinen Namen.

Der Film zeigt anschaulich die toxische Wirkung von generations-übergreifenden Familien-Geheimnissen.3 Sie sind gekoppelt mit Kommunikations-Störungen in der Familie vor allem abwertender Kommunikation.4 Sie zerstören das Familien-Klima, gefährden Beziehungen massiv und verhindern positive Entwicklung des Familien-Systems und ihrer Mitglieder.

Der Film kann helfen, nachzudenken, wie die eigene Persönlichkeit und das eigene Erleben durch die eigene (Ursprungs-)Familie geprägt wurde. Er zeigt, wie wichtig es ist, den Familiengeheimnissen auf die Spur kommen und sie zu klären. Dies ist auch wichtig, um sie nicht an die nächste Generation weiterzugeben.

Violet und ihre jüngste Tochter Karen

Wer mit einem Film in eine positive Stimmung kommen will, dem wird vom Film abgeraten: „Der Zuschauer muss mit einem Nichts an Positivem die Vorstellung verlassen.“5

Man sollte sich nach dem Film Zeit nehmen, um Parallelen zum eigenen Leben und zur eigenen Familie zu reflektieren, eventuell auch aufzuschreiben und / oder mit jemand Anderen zu besprechen. Der Film ist hervorragend geeignet zum therapeutischen Einsatz (im Rahmen einer ‚Movie-Therapie‘ – auch für Eigentherapie).

Cast

Charles, Schwager von Violet mit Sohn Little Charles

mit Anmerkungen

  • ELTERN
  • Meryl Streep: Violet  Weston, Protagonistin, Mutter, Tablettensucht, Mundhöhlen-Krebs, Chemotherapie, raucht, Schmerzen, Angst
  • Sam Shepard: Beverly Weston, Mann von Violet, pensionierter Lehrer, Poet, besitzt viele Bücherk, nimmt sich das Leben

    ÄLTESTE TOCHTER MIT FAMILIE
  • Julia Roberts: Barbara „Barb“ Weston, Tochter 1 von Violet, Beverlys Liebling
  • Ewan McGregor: Bill Fordham, getrennt lebender Ehemann von Barb, lebt mit jüngeren Frau zusammen
  • Abigail Breslin: Jean Fordham, Tochter von Barb und Bill, 14 Jahre

    MITTLERE TOCHTER MIT FAMILIE
  • Julianne Nicholson: Ivy Weston, Tochter 2 von Violet, ledig, wohnt in der Nähe der Mutter
  • Ivy hat auch einen Freund, erzählt sie ihrer Mutter und Tante gehemnisvoll, später stellt sich heraus, es ist Little Charles, der Sohn von Mattie Fae

    JÜNGSTE TOCHTER MIT FAMILIE
  • Juliette Lewis: Karen Weston, Tochter 3 von Violet
  •  Dermot Mulroney: Steve Huberbrecht,  ihr Verlobter, sie fahren demnächst auf Flitterwochen nach Belize, schon 3 x verheiratet
    VIOLETS SCHWESTER MIT MANN
  • Margo Martindale: Mattie Fae Aiken, Violets Schwester, Whiskey (hat Sohn mit Beverly – Familien-Geheimnis)
  • Chris Cooper: Charlie Aiken, Mann von Mattie Fae, raucht Gras, Verkäufer, Polster
  • Benedict Cumberbatch: „Little Charles“ Aiken, Sohn von Mattie Fae und Charles, arbeitslos, liebt Ivy, schreibt für sie ein Lied
    ZUSÄTZLICH
  • Misty Upham: Johnna, Haushaltshilfe, indianische Ureinwohnerin, Cheyenne
  • Will Coffey: Sheriff Deon Gilbeau: war in der Highschool mit Violet zusammen, Vater hat ihm Auto gestohlen, nach Mexiko damit gefahren

(Entwicklungs-)Themen

Violet mit ihrer Tochter Ivy und ihrer Schwester Mattie Fae

(zentrale Themen sind fett gekennzeichnet)

  • Mutter-Tochter-Beziehung, negativer Mutter-Komplex
  • Geschwister-Beziehung (Schwester-Schwester), Halb-Bruder
  • Vater-Tochter, Mutter-Tochter, Lieblingskind
  • Partnerschafts-Beziehungen, Seitensprung, Affäre
  • negativer emotionaler Selbstwert
  • Lebensstimmung depressiv, lustlos, verbittert
  • Familien-Dynamik, Familien-Geheimnisse,  Familien-Klima,
  • Familien-Geheimnisse aufdecken / lüften
  • Konflikt, Familien-Konflikt, Generationen-Konflikt
  • Konflikte, schwelende Konflikte, Ausbruch schwelender Konflikte
  • Vorwürfe, Angriffe, Verteidigung, Rechtfertigung
  • Krankheit, Krebs, Leiden
  • Sucht (Tabletten, Alkohol), Co-Abhängigkeit,
  • Trennung, Wegziehen von Eltern, den Segen geben, heimkommen, zu Besucht kommen
  • Hoffnung („Er wird zurückkommen“)
  • Suizid, Tod des Ehepartners
  • Sterben und Tod
  • Verlust, Trauer, Trauer-Bewältigung, Trauer-Verweigerung
  • Geistige Verwirrung („Er ist zurückgekommen“)
  • Abwertung, Erniedrigung, abwertende Kommunikation, vergiftende Kommunikation, Gemeinheiten, Bosheiten
  • Wertschätzung
  • Inzest-Beziehung
  • negative Gefühle, Groll, Zorn, Misstrauen, Verbitterung, Trauer
  • Missbrauch, emotionaler Missbrauch, missbräuchliche Eltern
  • dysfunktionale Familie, zerrüttete, zerrissene Familie, Familien-Abgründe
  • Trennung
  • vermisst
  • familiäres Matriarchat
  • Schuld, Sühne
  • Pflege der alten Eltern
  • Ehe-Arrangement („Ich darf trinken, du darfst Tabletten nehmen“)
  • schwarzer Humor
  • unerfüllte Weihnachtswünsche

Kritik

Der Film erhielt sehr gute Bewertungen, vor allem für die schauspielerische Leistung der DarstellerInnen.6

Kritisiert wird am Film, dass ihm ein negatives Frauenbild zugrunde liegt. Die Männer schneiden (fast) durchwegs besser ab, als deren Frauen.7. Kritisiertwurde auch, dass er zu schwarz ist und zu wenig Humor hat. 8

Links

  • E. Teresa Choate: August: Osage County (review)
  • Gabriela Glavan: Family Carnage: Tracy Letts‘ August: Osage County – Besprechung des zugrunde liegenden Theater-Stücks
  • Elizabeth Fifer: Memory and Guilt: Parenting in Tracy Letts’s August: Osage County and Eugene O’Neill’s Long Day’s Journey Into Night – Besprechung des zugrunde liegenden Theater-Stücks
  • Abi Cantor: August: Osage County

Selbst-Reflexion

Nimm Dir ein wenig Zeit, folgende Fragen für Dich zu beantworten, nachdem Du den Film gesehen hast:

  • Welche Szenen im Film hast Du noch in besonders guter Erinnerung?
  • Welche Szenen haben Dich berührt? Wo kamen Emotionen / Gefühle (Ärger, Hass, Freude, Zuneigung, …) hoch?
  • Wer im Film war Dir sympathisch, unsympathisch?
    Zu wem fühltest Du Dich hingezogen? Vom wem abgestoßen?
  • Mit wem hast Du Dich am ehesten identifiziert?
  • Was haben die Antworten auf obige Fragen mit Dir und Deinem Leben zu tun? Gibt es Parallelen / Ähnlichkeiten?
  • Welche der oben aufgelisteten Themen haben auch mit Deinen Lebensthemen zu tun?
  • Was kannst Du daraus lernen (für Dich, Dein Leben, für Deine Familie, …)

Zusätzliche Bilder

Little Charles hat für Ivy einen Song komponiert

Little Charles singt für Ivy einen selbst komponierten Song

Barb, ihr Mann und ihre Mutter

Barb, ihr Mann, ihre Mutter

Fußnoten

  1.   Zitat am Beginn des Films, vgl. auch  Andeas Scheiner: Bestes Dialoggewitterkino. In Zeit Online
  2.   Vgl. imdb: Oscar 2014 Awards
  3.   Vgl. dazu meinen Blog-Beitrag: Familien-Geheimnisse  
  4.   Vgl. dazu meinen Blog Beitrag: Konfliktquelle: Abwertung  
  5.   Kritik von Kinobengel in Filmstarts
  6.   Vgl. z. B. E. Teresa Choate: August: Osage County (review), imdb 7,2/9  August: Osage County (2013)
  7.   Vgl. Kritik zu Im August in Osage County in epd  
  8.   Vgl. „August: Osage County“. Time Out London, „TheVine – ‚August: Osage County‘ is a mess – Life & pop culture, untangled“ 

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