Hintergrundblog zu „Familien-Geheimnisse“
Niemand beichtet gern in Prosa
Doch vertraun wir oft sub Rosa
in der Musen stillen Hain.
Johann Wolfgang von Goethe
„An den Günstigen„
Was steckt hinter Geheimnissen? Braucht man sie? Wozu nützen sie? Wie wirken sie? Welche Arten von Geheimnissen gibt es?
Geheimnis
Geheimnisse sind sensible Informationen von Personen oder Personengruppen, die vor anderen Personen(-gruppen) bzw. vor allgemeinen Kenntnisnahme geschützt sind (vor allem, wenn diese daran interessiert sein können).
Geheimnisse sind allgegenwärtig und umfassen unser soziales und gesellschaftliches Leben.
Positive Beispiele
Beispiele dafür sind
- Staatsgeheimnis, militärisches Geheimnis (mit unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen)
- Amtsgeheimnis
- Anwaltsgeheimnis
- Beichtgeheimnis
- Postgeheimnis, Briefgeheimnis
- Geheimnisse anderer Berufsgruppen (Verschwiegenheits-Pflicht – z. B. von Ärzten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, …)
- Betriebs- und Geschäfts- (Unternehmens-)Geheimnisse
- Telekommunikationsgeheimnisse (Verbot des unbefugten Abhörens)
- Geheimnisse aus dem „Need-to-know-Prinzip“ (Zugriff auf Daten im öffentlichen Bereich für berechtigte Personen nur dann, wenn sie für die Erfüllung konkreter Aufgaben notwendig sind.
Diese Geheimnisse werden im öffentlichen Bereich als „Verschlusssache“ („nur für den Dienstgebrauch“, „vertraulich“, „geheim“ oder „streng geheim“), im betrieblichen Bereich oft unter dem Begriff „vertraulich“ eingestuft.
Historische Wurzeln
Diese Geheimnisse haben oft lange historische Wurzeln z. B. der Eid des Hippokrates (460-370 v. Chr., (Arztgelöbnis als Teil einer ärztlichen Ethik – benannt nach dem griechischen Arzt Hippokrates 1 oder ‚Sub-Rosa-Zusammenkünfte‘ („unter dem Siegel der Verschwiegenheit“) im antiken Rom und sind in gewissem Ausmaß sinnvoll oder sogar notwendig für das Funktionieren von sozialen und gesellschaftlichen Einheiten.
Sub-rosa-Zusammenkünfte
Sub-rosa-Zusammenkünfte 2 sind Zusammenkünfte „unter der (Schweige-)Rose“: Das gesprochene Wort darf den Raum nicht verlassen.
Das Symbol der Rose nicht nur als Liebes- sondern auch als Verschwiegenheits-Symbol geht zurück auf den Mythos des griechischen Liebes-Gott Amor (römisch: Eros oder Cupido): Für Eros war es ein Anliegen, die zahlreichen Affären seiner Mutter zu verbergen. So sandte er Harpokrates, dem „Herrn des Schweigens“ eine Rose, und bat ihn damit, die erotischen Affären seiner Mutter als Geheimnis zu bewahren.
Aus diesem Hintergrund hängten die Römer bei bestimmten Zusammenkünften die Rose an die Decke. Später schnitzte man Rosenschnitzereien an Beichtstühle oder hängte Rosenbilder in Ratssälen des Hochmittelalters oder auch in den Rittersälen. Die geschlossene (Rosen-)Blüte galt als göttliches Geheimnis – vgl. Maria Mail-Brandt, Welt der Rosen]
Diskutable Beispiele
Anderen Geheimnisse sind ambivalent ihre Sinnhaftigkeit wird oder Schädlichkeit diskutiert, wie z. B. beim
- Bankgeheimnis
- Gehalts-Geheimnis bzw. Gagengeheimnis
- Wahlgeheimnis
- Geheimnissen in Geheimhaltungsverträgen (Verschwiegenheits-Vereinbarungen, NDA – non-disclosure agreement oder CDA – confidential-disclosure agreement)
- Geheimnisse durch Schweigegebote (z. B. in Glaubensgemeinschaften oder Geheimbünden)
- Geheimnisse durch die Anwendung der ‚Chatham House Rule) in Veranstaltungen, Meetings, … (Die Information ist öffentlich, aber der Sender der Information darf nicht genannt werden)
- Geheimnisse durch die Anwendung der Regel „Don’t aks, don’t tell“ (Wir fragen nicht, du sagst nichts) – z. B. über die sexuelle Orientierung
- Familiengeheimnisse
- Geheimnisse der Wissenschaft 3
- Geheimnisse der Geheimlehren, z. B. der Alchemie
Geheimnisträger wird man entweder durch Beobachtung oder Erleben (eines besonderen Ereignisses, z. B. einer Straftat) oder auch durch Kommunikation (Bericht eines ‚Geheimnis-Erzählers‘)
Destruktive Beispiele
Andere Beispielen sind meist negativ konnotiert, sie haben negative Wirkungen auf die Person oder die Gesellschaft:
- Omertà: Die Schweigepflicht als Teil des Ehrenkodex der Mafia und (anderer) krimineller Organisationen. Verpönt ist vor allem die Zusammenarbeit mit Behörden.
Das kommt auch in einem sizilianischen Sprichwort zum Ausdruck: „Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre im Frieden“ 4 - Geheimnisse des „Room 641A“: Room 641A ist oder war in einem Gebäude der Firma AT&T der Raum in dem laut dem Whistleblower Mark Klein die Glasfaberkabel der Internet Backbones vorbeiführten und in dem Daten für den NSA analysiert wurden. Die Überwachungs- und Spionageaffäre 2013 war Gegenstand einer Sammelklage in den Vereinigten Staaten.5
- vgl. Ärzte Zeitung: Der Eid des Hippokrates ↵
- vgl. duden: sub rosa, Wortbedeutung: Schweigerose ↵
- Vgl. Oliver Hochadel, Geheimsache Wissenschaft ↵
- Quelle: Henner Hess, Mafia, S. 114 ↵
- Vgl. John Markoff, Judge Declines to Dismiss Privacy Suit Against ATT ↵
Zu Room 641A möchte ich noch folgendes anmerken: Leider waren nicht immer alle Firmen so kooperativ gleich einen eigenen Raum der NSA zum Anzapfen der Leitungen zur Verfügung zu stellen… somit ( Hier die Karte: https://www.submarinecablemap.com/ ) wurden die Unterseekabeln angezapft über die der Traffic läuft….
Im Mai 2001 beschrieb Neil Jr. für das Wall Street Journal und ZDNet, dass amerikanische Behörden schon damals unbemerkt Unterseekabel angezapft haben. Noch vor 9-11.
Interessante Karte im Link – so spart man sich die Raummiete 🙂