Das Drama-Dreieck – ein Modell der Transaktionsanalyse
Das Drama-Dreieck – mit den drei Rollen Täter1 (Verfolger) – Opfer – Retter – beschreibt ein Beziehungs- und Kommunikations-Muster, das vielen Konflikten zugrunde liegt. Es stammt von Stephen B. Karpman und wird sowohl als statisches Modell der Rollen-Analyse als auch als dynamisches Modell der Rollen-Dynamik bzw. des Rollen-Wechsels beschrieben. Die Rollen und die Dynamik des Drama-Dreiecks finden sich in zahlreichen in zahlreichen Märchen, Mythen, Romanen und Filmen, in denen es um dramatische Ereignisse geht. Die Muster finden sich jedoch auch im realen Leben, vor allem in konflikthaften Ereignissen. Karpman beschreibt diese Rollen anhand einiger bekannter Märchen wie Rotkäppchen und Aschenputtel.2
Das Modell hat Parallelen zum Verfolger-Rückzugs-Muster. 3 und zu den Apokalyptischen Reitern von John Gottman4 In der Konflikt-Moderation kann es sowohl zur Konflikt-Analyse als auch zur Konflikt-Intervention verwendet werden.5 6 7 8
Rollen-Dynamik
Auch die Rollen des Drama-Dreiecks unterliegen einer Dynamik. Im Laufe dieser Dynamik wird häufig der Retter zum Täter, damit der Täter zum Opfer und manchmal wird dabei das Opfer auch zum Helfer.
Beispiel: Der Täter macht einen verbalen oder tätlichen Angriff auf das Opfer. Ein Retter will helfen und greift den Täter an, wird dabei selbst zum Täter und der Täter zum Opfer. Das Opfer will dem ursprünglichen Retter helfen, wird also zum Helfer. Auch die Dynamik, dass der Helfer zum Opfer wird, ist nicht selten: A greift B an, C kommt zu Hilfe, da verbunden sich A und B und greifen C an.
Ein betriebliches Beispiel aus eigener Erfahrung
Zwei Banken A und B fusionieren. A übernimmt B. Die beiden Banken weisen sehr unterschiedliche Kulturen und Strukturen auf. Die neue Organisations-Struktur sieht vor, dass in vielen Abteilungen und Gruppen Mitglieder von A und B enthalten sind. Auch die Führungskräfte werden aufgeteilt. Zwar werden zahlreiche Projekte zur Integration gestartet, der Erfolg bleibt jedoch aus. Das ist die Sicht beider Gruppierungen. Beide Gruppierungen sehen sich selbst als Opfer und die andere Gruppierung als Täter („Gewinner“). Aus der Außen-Sicht wird klar, dass die übernehmende Bank A mehr Täter-Anteile hat als die übernommene. Es folgen zahlreiche Konflikte in und zwischen Gruppen, Abteilungen und Bereichen, vor allem in Gruppierungen, deren Führungskraft von B, der übernommenen Bank stammen. Nach einigen Jahren wird diese Bank von einer anderen Bank C übernommen. Jetzt zeigt sich ein neues Phänomen. Die alten Konflikte verschwinden fast völlig. Die Integrations-Instanzen von C sehen sich selbst als Retter, A und B kooperieren jetzt, sie sehen C als Täter.10
Auswirkungen des Drama-Dreiecks
Wie die apokalyptischen Reiter führen auch die Rollen des Drama-Dreiecks leicht in ein Drama, in Verstrickungen und unheilvollen Dynamiken. In jeder Rolle werden wichtige Aspekte der Realität ausgeblendet oder abgewertet. Sinnvoller wäre es, eine neutrale Rolle einzunehmen. 11 Es handelt sich um ein unreifes, dysfunktionales Beziehungs-Muster. Es handelt sich nicht um authentisches Verhalten sondern „es wird etwas gespielt“ – oft aus einer inneren Notwendigkeit des Verhaltensmusters heraus oder aus (vermeintlichen) Rollen-Erwartungen.12 Die Transaktionsanalyse nennt diese Verhaltens-Muster mit fixen Regeln daher auch Spiele. 13 Wie problematisch auch die vermeintlich nur positive Helfer-Rolle sein kann, zeigt das Konzept des Helfer-Syndroms14 und Formen der ‚helfenden‘, sich aufopfernden Persönlichkeits-Störung 15
Was tun? – Befreiung aus den Rollen
Welche Handlungen können von den dramatischen Rollen befreien?
- für Täter: Reue und ev. Sühne
- für Opfer: Verzeihen
- für beide: Dank an den Retter
Die Muster als Rollen und als Persönlichkeits-Anteile
Die dramatischen Rollen können von unterschiedlichen Personen oder sozialen und politischen Systemen (vgl. Stellvertreter-Kriege) gespielt werden. Sie können aber auch als Persönlichkeits-Anteile / Figuren in unserem inneren Team als innerer Dialog aktiv werden / gespielt werden.16
Spiele der Erwachsenen („Games people play)
Eric Berne, der Begründer der Transaktionsanalyse entwickelt ein System von psychologischen Spielen, das sind destruktive Verhaltens- und Kommunikations-Muster, die jeweils den drei Rollen zugeschrieben werden.
Beispiel: Das Verfolger-Spiel „Habe ich dich erwischt, du Schweinehund“: Der Täter versucht dem Opfer laufend mit seinen Schwierigkeiten, Schwächen und Problemen zu konfrontieren, um von seinen Problemen und Schwächen abzulenken. Dies wäre aber für ein konstruktives Miteinander notwendig.
Beispiel: „Ja, aber“ –Spiel: Ein Hilfesuchender sucht Rat für ein Problem bei einer anderen Person. Die weiß die Aufmerksamkeit zu schätzen und gibt einen gut gemeinten Ratschlag nach dem anderen. Doch auf jeden Rat folgt ein „Ja, aber…“ mit einem scheinbar passenden Gegenargument.
1. Retterspiele
- Ich wollte doch nur helfen
- Du Ärmste(r)
- Therapie
2. Verfolger (Täter-)Spiele
- Gerichtssaal
- Sieh nur, was du angerichtet hast
- Tumult
- Hab ich dich erwischt, du Schweinehund
- Ist es nicht schrecklich!
- Makel
- So habe ich das nicht gemeint!
3. Opferspiele
- Dumm!
- Überlastet!
- Tritt mich!
- Wenn du nicht wärst
- Holzbein
- Schlemihl
- Ich Ärmste(r)
Auch hier gilt die Botschaft: Um nicht tiefer in destruktive Beziehungsmuster hineinzugeraten, gilt es, diese „Spiele“ zu erkennen und daraus auszusteigen. Auch hier gilt der alte Konfliktgrundsatz: Wenn einer aussteigt, kann der Andere auch nicht (so wie bisher) weitermachen.
Zusätzliche Literatur und Links
Ed Hellmeier: Das Dramadreieck: Opfer-Täter-Retter… Aus: http://www.grenzwandler.org. http://www.grenzwandler.org/dramadreieck/.
Querverweise:
Teufelskreise verstehen, Konflikte verstehen
Was ist ihr Kommunikationsmuster: Fordern oder Rückzug
Das Beziehungsgift der vier apokalyptischen Reiter
- Ursprünglich sprach man von „Verfolger“, heue mehr von „Täter“ ↵
- Vgl. Stephen B. Karpman: Fairy tales and script drama analysis ↵
- Zum Vefolger-Rückzugs-Muster vgl. meinen Blog-Beitrag Verfolger-Rückzugs-Muster ↵
- Zu den apokalyptischen Reitern im Kommunikationsmodell von John Gottman vgl. meinen Blog-Beitrag Das Beziehungs-Gift der apokalyptischen Reiter ↵
- Vgl. zur Mediation / Konflikt-Moderation auch Sascha Weigel: Das Dramadreieck als Analyse- und Interventionskonzept in der Mediation , Susanne Grätsch & Kassandra Knebel: Das Drama-Dreieck und seine destruktiven Dynamiken ↵
- Das Drama-Dreiecks-Modell wird in Trauma-Ansätzen zur einem Trauma-Viereck erweitert: Opfer-Täter-Retter-Mitwisser. Vgl. Lydia Hantke und Hans-J. Görges: Handbuch Trauma-Kompetenz, Paderborn : Junfermann 2012, S. 137 ff. und 164 ff. ↵
- Zur Anwendung des Drama-Dreiecks in der Beziehungs-Analyse vgl. auch Steffen Raebricht: Beziehungsratgeber, No More Drama in Deinen Beziehungen, insbes. S. 42 ff., Leseproben auf amazon), Steffen Raebricht: Raus aus dem Beziehungs-Stress – Das Drama Dreieck Transaktionsanalyse. ↵
- Zur Anwendung in der Mediation / Konflikt-Moderation vgl. Monika Oboth und Gabriele Seils: Mediation in Gruppen und Teams, Paderborn : Junfermann 2005, S. 13 ff., ebenso Sascha Weigel: Das Dramadreieck als Analyse- und Interventionskonzept in der Mediation. Dagmar Kleemann: Arbeit mit der Transaktionsanalyse – Grundlagen zum Drama-Dreieck. Roland Kopp-Wichmann: Drama-Dreieck: Welche Rolle spielen Sie in Konflikten? ↵
- Das Gemälde wird auch Nicolò dell’Abbate zugeschrieben. ↵
- Nach einer Studie der BCG (Boston Consulting Group) von 2008 sind gut zwei Drittel der Fusionen und Übernahmen für Aktionäre wertvernichtend. Vgl. NZZ: Jetzt Firmen kaufen . Zu den „weichen“ psychologischen Faktoren einer erfolgreichen Übernahme vgl. Böning, Uwe: Übernahmen und Fusionen: Psychologie ist nicht alles – aber ohne Psychologie ist alles nichts. In Müller-Stewens, Günter; Kunisch, Sven Gunnar Tilo & Binder, Andreas (Hrsg.): Mergers & Acquisitions: Analysen, Trends und Best Practices. Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 2010, S. 256 ff. ↵
- Vgl. Steffen Raebricht: Raus aus dem Beziehungs-Stress – Das Drama Dreieck Transaktionsanalyse. ↵
- Zu Rollenerwartungen vgl. vor allem die Rollen-Theorie von Dahrendorf, Ralf (2006 / 1958): Homo sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle. Wiesbaden: VS Verlag, 16. Auflage und die Weiterentwicklung dieses Ansatzes von Schimank, Uwe (2007): Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie sowie Theorien gesellschaftlicher Differenzierung, Volume 1, Springer-Verlag, 2007, 5. Auflage 2016 (Leseprobe in Amazon) ↵
- Leonhard Schlegel: Handwörterbuch der Transaktionsanalyse. Sämtliche Begriffe der TA praxisnah erklärt. Herder, Freiburg im Breisgau 1993, 2. Auflage 2002 ↵
- Wolfgang Schmidbauer: Die hilflosen Helfer: Über die seelische Problematik der helfenden Berufe. Rowohlt. Vgl. auch Annette Kulbe: Grundwissen Psychologie, Soziologie und Pädagogik. Stuttgart : Kohlhammer 2017, Abschnitt 17.3.1 , Kleiner Geier: Das Helfer Syndrom Hildegard Müller-Kohlenberg: Die Helferpersönlichkeit: Einstellungen, Kompetenzen und Motivationen. Leseprobe dazu. Cobo Cards: Helferpersönlichkeit . Doris Wolf: Helfersyndrom – wenn Helfen zur Sucht wird. ↵
- die Sucht zu helfen und gebraucht zu werden. ↵
- zum inneren Team vgl. Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 3 – Das ‚innere Team‘ und situationsgerechte Kommunikation. Rowohlt, Reinbek 1998, Friedemann Schulz von Thun, Wibke Stegemann (Hrsg.): Das Innere Team in Aktion. Praktische Arbeit mit dem Modell. Rowohlt, Reinbek 2004 ↵