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Umgang mit Unterbrechungen ist Teil des Zeit-Management und dies wiederum Teil des Selbst-Management.

Monochrone und polychrone Typen

UNTERBRECHUNGEN. Maler unterbricht strickendes Mädchen, Mutter unterbricht das Paar. Künstlergraphik

Unterbrechungen und Ablenkungen sind für unterschiedliche Personen unterschiedlich störend. Während monochrone, introvertierte und linkshemisphärische Typen Unterbrechungen oft echte Störungen darstellen, sind sie weniger unangenehm oder manchmal auch willkommen für polychrone und extravertierte und rechtshemisphärische Typen. Ebenso beeinflusst die Fähigkeit des Multitasking das Ausmaß, in dem eine Unterbrechung als Störung wahrgenommen wird.

Unterbrechungen begrenzen oder vermeiden

Für alle Typen ist es jedoch wichtig, mit Unterbrechungen und Ablenkungen konstruktiv umzugehen. Beispiele für Unterbrechungen sind Eingänge von E-Mails und Nachrichten von sozialen Medien (social media, z. B. SMS, whatsapp, facebook, … besonders, wenn sie von Signaltönen begleitet werden), eingehende Telefongespräche. Für Führungskräfte können auch spontane ‚Besuche‘ und Anfragen von Mitarbeiter_innen und auch Vorgesetzten – besonders, wenn sie mit spontanen Aufträgen verbunden sind – bedeutende Unterbrechungen sein.

Unterbrechungen sind im betrieblichen Alltag unvermeidbar. Aber es ist wichtig, sie zu begrenzen und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Was kann helfen, welche Tools sind dazu geeignet?

Unterbrechungsfreie Zeitfenster
Unterbrechungen als Signal. Unterbrochene und Nicht-unterbrochene Leuchtfeuer haben unterschiedliche Bedeutungen. Hier: Leuchtfeuer auf der Westmole in Warnemünde

Ein klassisches Instrument ist „die stille Stunde„. Hier wird vorgeschlagen, zumindest täglich 1 Stunde unterbrechungsfrei zu halten, bevorzugt am Tagsrand. Viele schlagen den Tagesanfang vor. Einmal in der Woche früher zur Arbeit zu kommen und noch den Arbeitsbeginn der Kernzeit unterbrechungsfrei zu halten, ist für viele eine geeignete Maßnahme. Aber man muss sie organisieren, absprechen, vor allem mit Mitarbeiter_innen und Chefs. In dieser Zeit sollten keine E-Mail bearbeitet, keine ankommenden Telefongespräche angenommen und keine Besuche vorgsehen sein „Prinzip der geschlossenen Türe„. Günstig ist, sich mit den Mitarbeiter_innen auszumachen, wann ich für Unterbrechungen, Fragen, Kommunikation bereit bin und wann nicht, bzw. nur bei sehr wichtigen Fällen. Ein gutes Symbol kann sein die Türe offen oder geschlossen zu haben – für Personen, die ein eigenes Zimmer haben.

Wann brauche ich als Führungskraft unterbrechungsfrei Zeit

Unterbrechungsfreie Zeit braucht eine Führungskraft unter anderem, …

  • um meine Fachaufgaben zu erledigen
  • um Gespräche mit Externen oder Mitarbeiter_innen zu führen
  • um diese Gespräch vor- und nach-zubereiten
  • für strategische Führungs-Aufgaben

Notwendige Voraussetzungen

  • räumliche Voraussetzungen: eigener Raum, Besprechungs-Raum, Rückzugs.Ort, …
  • Rahmenbedingungen: Klärung in welchem Rahmen ich störungsfreie Zeit organisieren kann / darf, z. B. home office …
  • technologische Voraussetzungen: Telefon-Umleitungen, …
  • mentale Voraussetzungen: Erholungspausen, Abschalten, Entspannung

Umgang mit Unterbrechungen durch Mitarbeiter_innen

Unterbrechung der Arbet durch Blick nach draußen: Rudolf Nissl – Frau am Fenster ca. 1910

Unterbrechungen durch Mitarbeiter_Innen sind vor allem dann häufig, wenn sie keine  eigenen Verantwortungsbereiche haben bzw. wenn die Aufgaben und Berechtigungen / Kompetenzen nicht klar geregelt sind oder auch, wenn die Mitarbeiter_Innen nicht bereit oder in der Lage sind, Verantwortung für ihren Aufgabenbereich zu übernehmen. Dann kann es passieren, dass sie mit jeder Kleinigkeit zur Führungskraft kommen, um sie um Rat fragen oder auch, dass sie die Entscheidung an die Führungskraft rück-delegieren. Stille Zeiten sind dann zwar wirksam, aber die Lösungen sollten grundsätzlicher gesucht werden, z. B. durch

  • Verantwortungsbereiche der Mitarbeiter_innen klar abgrenzen (auch die eigenen!): Job Description / Stellenbeschreibungen …
  • Schulungs- und Entwicklungs-Maßnahmen, die den Mitarbeiter_innen mehr Sicherheit geben, die richtigen Lösungen / Entscheidungen zu suchen.
  • Rückdelegation abwehren: Bei der Aussage: Chefin ich hab ein Problem, oder bei der Frage: Chef was soll ich tun: nicht selbst die Lösung sagen sondern rückfragen: Was würdest du da tun? Wie würdest du entscheiden? Und dann Nachfragen: Warum?
  • Ein sehr striktes und gutes Instrument ist die 5-3-1 Regel.[vgl. den Blog-Beitrag Die 5-3-1 Regel]
  • Erwartungs-Gespräche führen und/oder die Erwartungen in Team-Meetins klären: Was erwarte ich als Führungskraft von meinen Mitarbeiter_innen bezüglich Unterbrechungen. Klären, wann Unterbrechungen von der Führungskraft erlaubt oder sogar gewünscht sind.
  • Symbole für unterbrechbare / unterbrechungs-freie Zeiten definieren

Umgang mit Unterbrechungen durch Chefs

Mätresse wird von ihrem Dienstmädchen unterbrochen: Jan Vermeer 1653-1675

Besonders schwierig ist der Umgang mit Unterbrechungen, die durch Chefs verursacht werden. Bestimmte Chefs, die eher unstrukturiert und spontan vorgehen, verstehen es manchmal, ihre Mitarbeiterinnen sehr häufig und für längere Zeit in ihren Aufgabenbereichen durch Sonder-Aufträge, kleine Projekte, Assistenten-Tätigkeiten usw. zu beschäftigen.

 

Mögliche Vorgangsweisen

  • Klärungs-Gespräche mit Chefs: Was erwartet er/ sie von mir? Was kann ich vekraften? Was wird mir zu viel?
  • Vereinbarungen mit Chefs treffen: Wie viel % meiner Arbeitszeit können Sonder- und Assistenten-Tätigkeiten sein? Mit welcher Priorität. Klarmachen, welche Konsequenzen das für meine Haupt-Tätigkeit hat. (Was bleibt liegen? Was kann ich nciht mehr machen? Wo muss ich die Qualität herabsetzen? …)
  • Wenn Klärungs- und Erwartungs-Gespräche schwierig oder unmöglich sind, sollte diese Klärung beim jährlichen Mitarbeiter-Gespräch wahrgenommen werden.

 

Unterbrechungsfreie Gespräche und Besprechungen

Klar ist, dass eine Führungskraft zumindest bestimmte Gespräche störungsfrei halten soll: das jährliche Mitarbeitergespräch, aber auch laufende Mitarbeiter-Gespräche (persönliche Jour fixes), Gespräche mit Externen, mit dem Chef … Es ist sowohl unhöflich als auch verlorene Zeit für mein Gegenüber, wenn gemeinsame Gespräche unterbrochen / gestört werden.

Prioritäten setzen

Prinzipiell sollte bei der Führungskraft bei jeder Unterbrechung ein Mechanismus einsetzen, und zwar ein Kurz-Check: Hat die Unterbrechung in Bezug auf Wichtigkeit (Bedeutung für die Zukunft) und Dringlichkeit Priorität vor der Tätigkeit, mit der die Führungskraft gerade beschäftigt ist? Sich nicht einfach unterbrechen zu lassen, also jeder Unterbrechung Priorität zu geben ist für Führungskräfte keine professionelle Vorgangsweise. Manche raten das Ritual dreimal tief durchzuatmen, bevor ich Antwort auf die Unterbrechung gebe, bevor ich reagiere und entweder abwehre oder annehme.

Bei der Prioritätensetzung sollte die Führungskraft beachten, dass es mehr Möglichkeiten gibt, nicht nur Annahme und Ablehnung.1

  • sofortige Bearbeitung
  • verzögerte Bearbeitung
  • gleichzeitige (polychrone) Bearbeitung
  • Tagesaufgaben neu ordnen (neue Prioritäte
  • Aufgaben weitergeben, delegieren

Werden Unterbrechungen ‚abgewehrt‘, so ist häufig das Versprechen damit verbunden, später darauf zurückzukommen. Um dies nicht zu vergessen, ist ein Notizblock eine sinnvolle Hilfe, besser noch eine To-do-Liste.

Um Prioritäten sinnvoll setzen zu können, ist die gesamte Palette des Zeit- und Prioritäten-Managements, vor allem aber eine ABC-Analyse sinnvoll. Es ist wichtig, klar vor Augen zu haben: „Was sind meine zentralen Aufgaben, meine A-Aufgaben?“ – Womit habe ich Erfolg? Was sollte auf keinen Fall untergehen?

Nein sagen, sich Abgrenzen

Eine Basis-Voraussetzung zum konstruktiven Umgang mit Unterbrechungen ist die Fähigkeit, nein zu sagen, sich abgrenzen können. Ist, z. B. aufgrund eines übertriebenen Harmoniestrebens die Fähigkeit sich angemessen abzugrenzen nicht entwickelt, sind alle Vorschläge, die hier gemacht wurden sehr zu relativeren. Dies führt meist zu großem Stress-Erleben und hat langfristig auch körperliche Auswirkungen. Ein Seminar für Persönlichkeits-Entwicklung bzw. zur Entwicklung innerer Potenziale kann hier Verbesserung bringen.

Auch nein sagen will gelernt werden. Ein schroffes Nein kann mehr Probleme verursachen als es Nutzen bringt, vor allem bei Vorgesetzten. Aussagen wie z. B.: „Ich bin heute schon voll verplant, aber ich schau, wie ich es doch noch einplanen kann und komme in der nächsten halben Stunde auf Sie zu.“ Das ist besonders wichtig bei größeren Zusatzaufgaben. Auch dann ist ein bloßes Nein keine gute Antwort, besser ein konstruktiver Vorschlag: „Ich kann das dazu nehmen, das würde mich etwa … Zeit kosten. Dafür müsste ich … verschieben / weglassen / jemand anderen übertragen …“

Polychron arbeiten

In der digitalen Welt von heute ist konzentriertes Arbeiten an einer Sache (monochrones Arbeiten) nur mehr in seltenen Fällen möglich. Wir sollten daher lernen, polychron ohne allzu großen Stress zu arbeiten. Das ist für manche Persönlichkeits-Strukturen leichter, für andere schwieriger. Ein positive Einstellung zu Stress und Hektik (in Grenzen) ist förderlich.

Kleine Pausen, Entspannung, Umgang mit Stress

Es gibt auch gesunden Stress. Neuere Studien zeigen, dass gesunder Stress weiter geht, als man bisher dachte und dass die Einstellung zu Stress das Stress-Erleben wesentlich beeinflusst.2  Es gilt also auch: Erkenne die positiven Seiten von Stress, lerne Stress zu genießen. Nichtsdestotrotz sind zwischendurch Möglichkeiten zum Abschalten wichtig – positive Unterbrechungen. Dazu gehören regelmäßige kleine Pausen (mindestens 5 – 10 Minuten nach 90 Minuten Arbeit) und die Fähigkeit den Körper ohne schlechtes Gewissen in einen entspannten („parasympathischen“) Zustand bringen zu können. Entspannungs– und Achtsamkeits-Übungen helfen dabei.

  1.   Vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (2019): Arbeitsunterbrechungen und Multitasking täglich meistern, S. 11   
  2.   vgl.  Abiola Keller, Kristin Litzelman, Lauren E. Wisk et al. : Does the Perception that Stress Affects Health Matter? The Association with Health and Mortality
    Jeremy P. Jamieson, Wendy Berry Mendes, and Matthew K. Nock: Improving Acute Stress Responses: The Power of Reappraisal.
    Einige weitere Hinweise zum Umgang mit Stress:
    Michael J. Poulin, ,  Stephanie L. Brown, , Amanda J. Dillard, , and Dylan M. Smith:Giving to Others and the Association Between Stress and Mortality

    Lea Wolz: Stress macht uns krank – aber nur, wenn man es glaubt

    Kelly McGonigal: How to make stress your friend, (TED-Talk)

    Kelly McGonigal: The upside of stress: (TED-Talk)

    Firdaus Dhabhar: The positive effects of stress

    stern.de: Einfach singen: Wie Seelenklempner Stress bewältigen   

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