Die Regel: 5 Sätze – 3 Alternativen – 1 Lösung
Viele Führungskräfte werden von ihren Mitarbeiter häufig mit Fragen nach Problemlösungen konfrontiert: „Chef*in, ich habe ein Problem, was soll ich machen?“
Da man nicht lange unterbrochen werden will und in Zeitnot ist, reagieren viele Führungskraft mit spontanen Problemlösungen, Vorschlägen, Hinweisen … Häufige Reaktionen der Mitarbeiter darauf sind: „geht nicht, weil …“ oder „hab ich schon probiert, löst das Problem auch nicht.“ oder … Alles unbefriedigend und unprofessionell.
Daher sollte mit den Mitarbeitern die 5-3-1 Regel (als Teil der ‚Regeln der Zusammenarbeit‘) vereinbart werden: „Wenn ein Mitarbeiter mit einem Problem (das in seinem Verantwortungsbereich ist) zu mir kommt, dann erwarte ich, dass er selbst schon über Lösungen nachgedacht hat und mir
- in 5 Sätzen das Problem erklärt
- 3 mögliche Lösungen dazu anbieten und
- 1 Lösung aussucht, die er für die beste hält.
Wir diskutieren dann, ob das wirklich die geeignete Lösung ist.
Anwendung der Regel
Die Regel sollte meiner Meinung nach sanft angewendet werden. Wird sie unreflektiert angewendet, kann sie Mitarbeitende brüskieren und die Führer-Mitarbeiter-Beziehung verschlechtern. Dann besteht die Gefahr, dass die negativen Konsequenzen die positiven kompensieren oder sogar übersteigen. Mitarbeitende erwarten fachliche Hilfen von ihren Führungskräften und viele Führungskräfte geben gerne Hilfe, weil sie einerseits ihre soziale Motivation erhöht (soziales Motiv: „ich helfe gerne“) und anderseits ihre Experten-Power erhöht (Die Führungskraft wird mehr geachtet, mehr geschätzt und kann damit auch mehr durchsetzen)1.
Es ist daher sinnvoll, die Regel nicht einfach direktiv einzuführen („Ab morgen gilt …“) sondern sie in Team-Meetings zu diskutieren, möglichst viel Commitment zu sammeln und sie in einem gemeinsamen Beschluss in den „Regeln der Zusammenarbeit“ aufzunehmen. Dann kann man im akuten Fall freundlich und wertschätzend darauf Bezug nehmen und so Beziehungen bei Anwendung der Regel nicht zu verschlechtern.
Gemäßigte Form: Lösungen anregen
Ein gemäßigtere Vorgangsweise, die leichter wertschätzend angewendet werden kann, ist die, dass die Führungskraft nicht direkt auf die Fragen nach Lösungen antwortet, sondern nachfragt: „Was meinst denn du, was eine sinnvolle Lösung sein könnte?“. Wenn dann keine Antwort kommt, ist die weitere Vorgangsweise abhängig von der Einschätzung der Ursache der Rückdelegation.
- Vielleicht eine Verschiebung des Gesprächs sinnvoll, damit die Mitarbeitende in der Zwischenzeit über mögliche Lösungen nachdenken können – und vielleicht ist die Lösung dann gefunden und ein weiteres Gespräch mit der Führungskraft nicht mehr notwendig.
- Vielleicht entscheidet sich die Führungskraft auch, doch die Rückdelegation anzunehmen, um größere Schäden zu vermeiden.
Rückdelegation verhindern
Zweck der 5-3-1-Regel ist, mit Rückdelegation gut umzugehen bzw. sie zu vermeiden. Ein geringes Maß der Rückdelegation ist oft unvermeidlich.
Rückdelegation ist ein Prozess, bei dem ein Mitarbeitender versucht eine ihm zugeschriebene Aufgabe bzw. eine damit verbundene Entscheidung an den Chef „zurückzugeben“. Der Chef muss sich jetzt darum kümmern.
Wird dieses Maß überschritten, so hindert es die Führungskraft, ihre eigenen Aufgaben zu erledigen und oft bleibt der Führungskraft oft wenig Zeit für die Führung der Mitarbeitenden. Das ist jedoch aufgrund des Multiplikatoreffekts die zentrale Aufgabe der Führungskraft.
In einem der meist verkauften Artikel der Harvard Business Review beschreiben William Oncken Jr. und Donald L. Wass dieses Problem als „Rückgabe von Affen“2 und nennen es „Monkey Business“ bzw. „Monkey Management“. Das folgende Beispiel beschreibt dieses Phänomen:3
„Stellen Sie sich jede Aufgabe, die Chefs an ihre Mitarbeiter delegieren, als einen Affen vor. Der Mitarbeiter soll sich um diesen Affen kümmern, sprich: Er soll die ihm übertragene Aufgabe erledigen. Nun gibt es Mitarbeiter, die versuchen, diese Aufgabe zurückzugeben. Um im Bild zu bleiben: Mitarbeiter, die ihren Affen nicht selbst versorgen wollen oder können, probieren, der Führungskraft den Affen wieder auf den Schreibtisch zu setzen.“
Ursachen von Rückdelegation
Häufig werden von Führungskräften Bequemlichkeit und Unselbständigkeit als Ursachen vermutet. Das entspricht dem fundamentalen Attributionsfehler, wonach bei Problemen die Ursache bei den Mitarbeitenden gesehen wird und eigene Fehler der Situation zugeschrieben wird.4 Realistischer scheinen hingegen Ursachen, bei denen auch die Führungskräfte Anteile haben.
Helfersyndrom, Bedürfnis geliebt zu werden, Nicht nein sagen können
Diese Verhaltensmuster machen es Führungskräften schwer, Rückdelegation abzulehnen. Im Gegenteil, sie ziehen Rückdelegation an.
Delegationsfehler
Auch diverse Delegationsfehler bewirken eine Neigung zur Rückdelegation, z. B. fehlende Kompetenzen (Wissen, Können, Erfahrung), sodass die Delegation für die Mitarbeitenden nicht nur eine Herausforderung sondern auch eine Überforderung darstellt. Die Überforderung kann fachlich, aber auch menschlich sein: zu wenig Selbstvertrauen, zu geringe Reife für die Verantwortungsübernahme, …
Ein häufiger Delegationsfehler ist, dass zwar Aufgaben und Verantwortlichkeit, jedoch nicht die dazu erforderlichen Entscheidungskompetenzen übergeben werden.
Auch unklare Delegationsvorgänge gehören hierher. Den Mitarbeitenden ist nicht klar, was sie genau wann, wie, wo, warum erledigen sollen. Das geschieht vor allem, wenn Führungskräfte schnell, schnell delegieren, weil sie wenig Zeit haben und eine sofortige Entlastung wollen. Delegation ist aber meist eine Investition, die zuerst mehr Zeit kostet und erst im Lauf der Zeit, aber dann dauerhaft entlasten kann.
Mangelndes Vertrauen bzw. Zutrauen, Kontrollintensität, Mikromanagement
Wenn Vorgesetzte Mikromanagement betreiben, sich in die Aufgaben der Mitarbeiter einmischen, nicht nur das Was sondern auch das Wie genau vorschreiben, den Mitarbeitern oder unterstellten Führungskräften keinen Freiraum lassen, auch kleinste Kleinigkeiten kontrollieren („kein Schreiben geht hinaus, ohne dass ich es vorher kontrolliert habe“)
Ergänzende 1:1-Gespräche
Literatur und Links
Rückdelegation
William Oncken, Jr., Donald L. Wass: Management Time. Who’s Got the Monkey? In Harvard Business Review. Nov.-Dec.1999. Aus: hbr.org. https://hbr.org/1999/11/management-time-whos-got-the-monkey. (mit einem Kommentar von Stephen R. Covey. Originalartikel in HBR, Nov.-Dec. 1974) (full text)
Frank Bönning: Von Mitarbeitern zu jedem Problem einen Lösungsvorschlag zu verlangen ist zu kurz gedacht. www.producis.de. 23. Feb. 2022. https://www.producis.de/post/von-mitarbeitern-zu-jedem-problem-einen-l%C3%B6sungsvorschlag-zu-verlangen-ist-zu-kurz-gedacht.
Jochen Mai. Rückdelegation. Bedeutung, Ursachen + 7 Tipps. Aus: karrierebibel.de. https://karrierebibel.de/rueckdelegation/#:~:text=R%C3%BCckdelegation%20beschreibt%20das%20berufliche%20Ph%C3%A4nomen,und%20landet%20wieder%20beim%20Chef.
Machtbasen
John P. R. French Jr., Bertram H. Raven: The bases of social power. In: D. Cartwright, A. Zander (Hrsg.): Group dynamics. Harper and Row, New York 1960, S. 607–623. Aus: https://www.researchgate.net/publication/215915730_The_bases_of_social_power.
- Expertenmacht („expert power“) ist eine der Basis-Machtbasen in den klassischen Studien von John P. R. French Jr., Bertram H. Raven (The bases of social power.) ↵
- William Oncken, Jr., Donald L. Wass: Management Time. ↵
- Stefan Mantel, entnommen aus Jochen Mai. Rückdelegation. ↵
- Vgl. den Beitrag Warum verhält sich meine Mitarbeiter*in so? – Attribution im Führungs-Alltag. ↵
Das Führungstool 5-3-1 war mir neu, super Tipp thx! Manfred
Auch die „gemäßigtere Vorgangsweise“ hat was, 5-3-1 liegt mir aber mehr 😉