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Zuhören ist entscheidend für den Gesprächserfolg. Manches wollen wir nicht hören, können wir nicht hören – Bild von Edvard Munch: Das Kind und der Tod. (1899) Kunsthalle Bremen

 

Es wird kaum jemand von sich sagen, er könne nicht zuhören. Das stimmt zwar, das Zuhören hat jedoch viele Formen und viele Qualitätsstufen, die entscheidend für ein gelingendes Gespräch sind. Hier sollen einige Formen beschrieben werden.

Die ersten beiden Formen des Zuhörens sind eher oberflächlich und selektiv.

Das assoziative Zuhören

Ihr Gesprächspartner schildert ein Ereignis, ein Erlebnis, einen Vorfall … – kann sein problembehaftet, kann sein neutral oder positiv. Bei dieser Art des Zuhörens1 lassen Sie durch diese Schilderung bei Ihnen Assoziationen entstehen, z. B. Assoziationen zu eigenen Erlebnissen, Ereignissen, Problemen, Problemlösungen und Sie warten, während Sie zuhören, dass Sie selbst diese assoziierten / erinnerten Ereignisse erzählen können.

Im positiven Fall lassen Sie Ihr gegenüber ausreden und Sie warten mit Ihren Erzählungen, bis Ihr Gesprächspartner seinen Bericht (z. B. über die Verkehrslage bei der Fahrt zu Ihrem Treffen oder von Ereignissen davor) fertig erzählt hat. Vielleicht machen Sie auch noch eine Bemerkung dazu (z. B. „Ach, das ist ja arg.“, „Ich verstehe, mir ist es kürzlich ähnlich ergangen.“, „Ja, das hass ich auch.“ oder „Das freut mich aber sehr.“ …) und fahren dann mit Ihrer Erzählung fort. Dazu fällt ihrem Gesprächspartner auch etwas ein, … und so gibt es ein Hin und Her von Erzählungen.

Im negativen Fall würden Sie Ihrem Partner ins Wort fallen oder eine Atempause dazu verwenden, um mit Ihrem Bericht beginnen. Z. B. „Ach, dazu fällt mir ein, ich kürzlich was ähnliches erlebt …“

Das Zuhören ist relativ oberflächlich, weil auf die Inhalte des Gegenübers nicht direkt eingegangen wird. Es ist selektiv, weil die Gesprächspartner die Gesprächsinhalte des anderen dazu benützen, Assoziationen, Erinnerungen und Gedanken an eigene Erlebnisse und Erfahrungen zugewinnen und damit ihr Gespräch weiter zu führen.

Diese Art von Gespräch ist für einen Smalltalk, einer beiläufigen Konversation ohne Tiefgang, sehr geeignet. Themen zum Wetter, zu Urlauben und Reisen, ev. auch zu Filmen und unproblematischen TV-Berichten sind passend.

Das konfrontative Zuhören

Konfrontatives Zuhören ist ähnlich oberflächlich wie das assoziative und noch selektiver. Die Gesprächspartner selektieren nämlich gezielt negative Punkte beim Gegenüber, um sie damit konfrontieren zu können. Sie befinden sich – aus welchen Gründen auch immer – in einer konfrontativen Position zu ihrem Gesprächspartner und wollen ihn mit Schwächen in seiner Argumentation, mit Fehlern, Problemen, Schwierigkeiten usw. konfrontieren.

Bei dieser konfrontierenden inneren Einstellung gibt es häufig viele Unterbrechungen, da es die Gesprächspartner oft kaum aushalten, ihre Gegenargumente beim Gegenüber anzubringen.

Das verstehende Zuhören 1: Das zusammenfassende Zuhören

Bei den Varianten des verstehenden Zuhörens ist es das Ziel des zuhörenden Gesprächspartners, sein Gegenüber zu verstehen – mit unterschiedlichen Vorgehensweisen

1a. Das globale Zusammenfassen: Das umschreibende Zuhören

In dieser Version des Zuhörens2 hört sich der Zuhörende den Beitrag des Sprechenden geduldig an, auch wenn dieser durcheinander oder unstrukturiert sein sollte und fasst die zentralen Inhalte zusammen. Dann fragt noch, ob er ihn richtig verstanden habe. Wenn er sich das „Ja“ abgeholt hat, ist das Gespräch beendet. Die Zusammenfassung am Ende des Gesprächs ist das zentrale Element dieser Version.

1b. Das laufende Zusammenfassen / die laufende Wiedergabe: Der kontrollierte Dialog

Das laufende Zusammenfassen ist eine vereinfachte Gesprächstechnik aus der Gesprächspsychotherapie von Carl Rogers. Dabei gibt der Zuhörende („Therapeut“) laufend kleinere Gesprächseinheiten mit eigenen Worten wieder („Paraphrasieren“) und lässt sie vom Gegenüber bestätigen. Die Wiedergabe beginnt mit Einstiegsformulierungen wie z. B. „Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass Sie …“, „Ihnen geht es also in erster Linie darum, dass … Stimmt das?“, „Sie wollen also, dass …“, „Sie widersprachen ihrem Mann, weil dieser …“, …

Das Verstehen des Gesprächspartners kann hier sehr intensiv und detailliert sein, erfordert allerdings eine gewisse Übung und Einstellung (z. B. echtes Interesse) des Zuhörenden und.

Das verstehende Zuhören 2 – die non-direktive Variante

Bei der non-direktiven Variante des verstehenden Zuhörens3 lädt der Zuhörende sein Gegenüber ein, das betreffende Problem bzw. das besondere Erlebnis zu erzählen. Man bereitet ihn darauf vor, dass er unterbrechungsfrei erzählen und auch längere Gesprächspausen zulassen kann. Der Erzählende versucht, sich in die Schuhe des Erzählenden zu stellen (Perspektivenwechsel) und in entspannter Aufmerksamkeit4

Wichtig ist, zu begreifen, was sich im Gehirn der sprechenden Person abspielt, ihre „Logik“ zu begreifen und zu verstehen, wie sie die Ereignisse und Zusammenhänge ‚konstruiert‚. Die wichtigen Gesichtspunkte werden von der erzählenden Person exploriert.

Der Zuhörende zeigt seine Aufmerksamkeit nonverbal und/oder verbal durch einzelne Wörter oder Laute5, z. B. mhm, okay, aha, ah, oh, sowas, gibt’s das?, oje, ja, nein, interessant, …

Das verstehende Zuhören 3 – die direktive Variante / Aktives Zuhören

Während sich in der Variante 2 die zuhörende Person allen Interventionen enthält und der sprechenden Person größtmöglichen Freiraum lässt, gibt es bei dieser Varianten eine Vielzahl an Interventionen. Ziel ist es, in einem gemeinsamen Bemühen tiefer in die vorliegende Thematik bzw. in Verhaltens- und Empfindens-Muster des Erzählenden einzudringen. Es sollte durch eine gemeinsame Exploration, ein gemeinsames Erforschen zu einem tieferen Verständnis erfolgen.

Vor allem umfasst dieses Zuhören nicht nur ein kognitives Verstehen des Gegenübers, sondern auch ein gefühlsmäßiges Einfühlen in ihn und somit auch die Erforschung der emotionalen Anteile der sprechenden Person. Die Person fragt sich – still oder in einem gemeinsamen Hinterfragen:

  • Welche Gefühle und Emotionen werden im Gesprächspartner aktiviert?
  • In welcher Stimmung ist er?
  • Welche Interessen, Wünsche, Hoffnungen werden direkt oder indirekt angesprochen?
  • Was befürchtet er? Wovor hat er Angst? Was will er vermeiden?
  • Worum geht es dem Gesprächspartner vor allem?
  • Ev. werden auch vermutete Projektionen und Übertragungen angesprochen

Auch Fragen, vor allem offene Fragen (Nachfragen) zum Verständnis der Aussagen des Gegenübers ist ein wichtiges Interventions bzw. Explorationsinstrument für diese Form des Zuhörens.

Aktives Zuhören ist nicht nur eine Gesprächstechnik, sondern vor allem auch eine entsprechende Einstellung. Habe ich z. B. kein echtes Interesse an meinem Gesprächspartner und ihren Anliegen, dann werden die Gespräche nur beschränkte Wirkung zeigen können. Das zeigten schon Studien aus der Gesprächstherapie von der Gesprächspsychotherapie von Carl Rogers.

Zuhören im generativen Dialog der „Theory U“

„Presencing ist die Fähigkeit,
unsere Wahrnehmung
aus dem Gefängnis der Vergangenheit zu befreien
und sie aus der Zukunft heraus operieren zu lassen.“
(Claus Otto Scharmer)

Eine Weiterentwicklung des verstehenden Zuhörens könnte das „generative Zuhören“ im Sinne von Otto Scharmer sein. Es ist das ein Zuhören, das Zukunftsideen generieren lässt.6

Querverweise

Literatur und Links:

Kommunikation

Christian-Rainer Weisbach, Petra Sonne-Neubacher: Professionelle Gesprächsführung. Ein praxisnahes Lese- und Übungsbuch. C. H. Beck. 8. Auflage (amazon: 9. Auflage 2015) (Kap. 3: Die vier Arten des Zuhörens.)

Birgit Preuß-Scheuerle: Praxishandbuch Kommunikation. Überzeugend auftreten, zielgerichtet argumentieren, souverän reagieren. Gabler Verlag Wiesbaden. 2., aktualisierte Auflage. 2016 (1. Aufl. 2004). DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-8349-4721-5.

 

Gesprächspartikel

Helena NilssonZu Form- und Funktionsvariation der Gesprächspartikeln
HM, JA, OKAY und NEIN und ihren schwedischen Entsprechungen in
der Chat-Kommunikation. Dissertation. Göteborgs Universitet. Göteborg. 2013.

  1.   Weisbach/Neubacher bezeichnen diese Art des Zuhörens als „Ich-verstehe“-Zuhören, obwohl es hier nicht wirklich um Verstehen geht. Vgl. Christian-Rainer Weisbach, Petra Sonne-Neubacher: Professionelle Gesprächsführung. Vgl. auch Birgit Preuß-Scheuerle: Praxishandbuch Kommunikation. S. 23 ff.
  2.   Weisbach/Neubacher bezeichnen diese Art des Zuhörens umschreibendes Zuhören. Vgl. Christian-Rainer Weisbach, Petra Sonne-Neubacher: Professionelle Gesprächsführung. Vgl. auch Birgit Preuß-Scheuerle: Praxishandbuch Kommunikation. S. 23 ff.
  3.   Weisbach/Neubacher bezeichnen diese Art des Zuhörens als das „aufnehmende Zuhören. Vgl. Christian-Rainer Weisbach, Petra Sonne-Neubacher: Professionelle Gesprächsführung. Vgl. auch Birgit Preuß-Scheuerle: Praxishandbuch Kommunikation. S. 23 ff.
  4.   Der Begriff der „entspannten Aufmerksamkeit“ stammt von Gerda Boysen, der Begründerin der Biodynamischen Psychotherapie. Sie meint damit,
    • einerseits Aufmerksamkeit zu zeigen und nicht in der Gegend oder im Zimmer umherzublicken oder anders seine Unaufmerksamkeit zum Ausdruck zu bringen,
    • aber andererseits das Gegenüber nicht („überaufmerksam“) anzustarren.  „mitzubildern“, um ein „big picture“ zu erhalten.

  5.   In den Sprachwissenschaften nennt man diese sprachlichen Ausdrücke auch „Interjektionen“ („Einwürfe“) oder auch Gesprächspartikel – vgl. Helena NilssonZu Form- und Funktionsvariation der Gesprächspartikeln
  6.   Vgl. die Hinweise zum generativen Dialog im Beitrag Kommunikations-Sünden und -Tugenden.

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