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Lückenhafte Informationen verstehen und vermeiden – mit Kommunikations- und Konflikt-Tools
Oder: Wie Kommunikations-Tools uns helfen, in schwierigen (Konflikt-)Situationen mit dem Dilemma von mehrdeutigen und lückenhaften Informationen umzugehen.

Das Problem

Die Qualität der Information und Kommunikation ist entscheidend für erreichte Ergebnisse (Leistung) als auch für unsere Zufriedenheit, sowohl im privaten als auch im betrieblichen Bereich.

In meiner Beratungs- und Seminar-Tätigkeit in Unternehmen und Non-Profit-Organisationen ist ein „Dauerbrenner“ mangelnde Information bzw. schlechte Kommunikation. Bei der schlechten Kommunikation weisen meiner Erfahrung nach eher die Empfangsqualitäten (Zuhören, Verstehen) stärkere Mängel auf als die Sendequalitäten (klar, verständlich und ausreichend kommunizieren). In besonderem Maße gilt das für Konflikt-Situationen.

Durch ihre Multiplikator-Wirkung sind kommunikative Qualitäten / Kompetenzen für Führungskräfte von besonderer Wichtigkeit. Es gibt zahlreiche Ursachen für schlechte Kommunikation. Eine davon ist das Zusammenspiel von mangelndem Zuhören mit lückenhafter Information.

Ein Beispiel: Übung – Wie gut kannst du zuhören?

Ein kleines vereinfachtes Beispiel, wie es in Kommunikationstrainings geübt wird.1

Lies dir folgende Information durch (oder noch besser: lass sie dir vorlesen) und beantworte dann die Fragen in der Fußnote.

„Fritz sagt zu seinem Vater Jürgen: Lara (Fritz’s Schwester) geht heute nicht mit ihrer Freundin ins Kino, sie kennt den Film bereits. Ich habe ihre Kinokarte bekommen und bin zum Abendessen nicht da. Mutter ist davon schon informiert.“

Lies die Punkte in der Fußnote durch und bewerte sie in Bezug zu diesem Text als

  • r … richtig,
  • f … falsch oder
  • ? … fraglich.

Statements in der Fußnote2

Lösung3

Interpretation

Wenn Sie eine ähnliche Übung nicht schon einmal gemacht haben, werden wahrscheinlich nicht alle Antworten richtig sein. Wie kann man das – bei einem so kurzen Text erklären?

Der Text bzw. die Information ist leicht und schwierig zugleich.

  • Leicht ist sie, weil sie kurz ist und weil (wahrscheinlich) keine Emotionen (beim Empfänger) damit verbunden sind. Wäre der Text länger, so wäre es schwieriger, sich alles zu merken. Wäre er emotional geladen (z. B. mit bestimmten politischen oder moralischen Elementen, die den eigenen Werten und Überzeugungen widersprechen), so wäre die Gefahr höher, dass innere Abwehrmechanismen aktiv werden und die Aufnahme der Information erschweren.
  • Schwierig ist die Information, weil sie mehrdeutig ist und Lücken aufweist. Das gilt zwar für alle empirischen Informationen, für alle Informationen, die die ‚Realität‘4 beschreiben, ist aber bei diesem Text sehr ausgeprägt.
Analyse der Lücken und Unklarheiten

Noch einmal der Text: Fritz sagt zu seinem Vater Jürgen: „Lara (Fritz’s Schwester) geht nicht mit ihrer Freundin ins Kino, sie kennt den Film bereits. Ich habe ihre Kinokarte bekommen und bin zum Abendessen nicht da. Mutter ist davon schon informiert.“

Und dazu einige der Lücken: 

  • Warum sagt Fritz zum Vater, dass er nicht ins Kino geht? Was ist vorausgegangen? Hat er vorher mit dem Vater gesprochen und ihm gesagt, dass „sie“ nicht ins Kino geht? …
  • Worauf bezieht sich das „sie“? Auf Lara? Auf ihre Freundin? Auf beide?
  • Fritz hat die Kinokarte bekommen, aber geht er jetzt ins Kino? Das bleibt offen. Und wenn ja alleine? Oder mit …?
  • Warum betont Fritz, dass Mutter schon informiert ist? Soll sie nicht mit dem Essen warten? Auf wen nicht warten?

Es gibt also zahlreiche Lücken und Mehrdeutigkeiten in dieser Information und häufig füllen wir diese ‚automatisch‘ bzw. unbewusst, damit sie für uns einen Sinn gibt. Aber dieser Sinn muss nicht der Sinn des Senders sein.

Wir sollten uns daher dieser Lücken bewusst sein und

  • entweder nachfragen, um mehr Klarheit zu bekommen
  • oder wenn das nicht erfolgt, weil es z. B. nicht möglich ist, dann sollten wir entweder die Stellen offen lassen und uns bewusst sein, dass wir das nicht wissen oder uns zumindest der Fehleranfälligkeit des Lückenfüllens bewusst sein.

Das entspricht auch der Aussage des Kommunikationsforschers Paul Watzlawick, der betont, dass Kommunikation grundsätzlich fehlerhaft ist, grundsätzlich misslingt. Gelingende Kommunikation die Ausnahme ist.5. Nur das Ausmaß des Nicht-Gelingens ist unterschiedlich. Nimmt man das als Ausgangspunkt, so ist man in der Kommunikation achtsamer und setzt Maßnahmen bzw. verwendet Tools, die den Grad des Gelingens erhöhen.

Mehrdeutige Texte: Warum wir selektiv zuhören und Informationen verändern

Erklärungsansätze als Hintergrund für Konflikt-Tools
Gestalt-Psychologie und -Therapie
Was siehst du? B oder 13? – Je nach Kontext

In der Gestaltpsychologie kennt man mehrere (Wahrnehmungs-)’Gesetze‘. Eines der wichtigsten ist das Gesetz der guten Gestalt. (auch Gesetz der Einfachheit bzw. Prägnanz). Es besagt, dass wir mehrere Figuren oder Zeichen als Ganzheit wahrnehmen bzw. interpretieren, wenn sie für uns einen Sinn ergeben. Beispiele sind symmetrische Figuren oder Figuren, die sich linienartig fortsetzen. Wir sehen sie als Einheit, d. h. als geschlossene Gestalt, auch wenn sie sich aus vielen Bildelementen zusammensetzt. Beispielsweise werden viele Punkte, die in Form der Ziffer 1 angeordnet sind als „Einser“ wahrgenommen und nicht als viele einzelne Punkte. Zeigt also Zeichen klare Strukturen, so werden sie eher als Ganzheit wahrgenommen, denn als einzelne Teile.

Weist eine Gestalt Lücken auf, ist es also keine geschlossene, sondern eine offene Gestalt, so besteht in uns die Tendenz, die Lücken zu schließen, eine geschlossene Gestalt wahrzunehmen, man nennt sie dann auch eine „gute Gestalt“. So wird aus zwei Zeichen entweder die Zahl „13“ oder der Buchstabe „B“.

Das Gesetz wurde ursprünglich als Wahrnehmungs-Gesetz formuliert, lässt sich jedoch verallgemeinern (auf Wahrnehmungs- und Handlungs-Gesetze) und auf innere Gestalten übertragen. Dann sind auch unerledigte Aufgaben („unerledigte Geschäfte“), unabgeschlossene Situationen, nicht verarbeitete psychische Verletzungen und Verluste und ähnliches offene Gestalten.

Gestaltpsychologie: „gute Gestalt“ – Ähnlichkeit. In der 6 x 6-Matrix werden 6 Zeilen wahrgenommen. und z. B. nicht 6 Spalten.

Somit sind auch mehrdeutige Informationen bzw. Informationen mit Lücken offene Gestalten und in uns gibt es eine Tendenz, sie zu schließen. Wir können sie schließen, indem wir diese Informationen um plausible Elemente ergänzen, damit sie für uns einen Sinn ergeben. Denn offene Gestalten ins uns kosten Aufmerksamkeit. Sie beschäftigen uns, sind in unseren Gedanken, hinterlassen ein ungutes Gefühl (z. B. ein schlechtes Gewissen, weil wir etwas noch nicht erledigt haben), … Offene, unerledigte Geschäfte wollen abgeschlossen werden, damit ich mich wieder neuen Herausforderungen stellen kann. Das gehört zu unserer ‚Psychohygiene‘.6

Dieses Ergänzen ist auch ok., wenn wir uns dessen bewusst sind. Die Ergänzung ist dann eine Vermutung, die ev. noch gecheckt werden muss. Es ist aber keine Tatsache, in dem Sinn: „Das hast du ja gesagt.“ oder „das habe ich so gehört“.

In schwierigen emotionalen Kommunikations-Situationen, vor allem in Konflikten ist dieses Ergänzen jedoch problematisch. Hier bestehen nämlich zusätzlich Tendenzen, diese (Verständnis-)Lücken mit negativen Absichten und Schuldzuweisungen zu füllen. („Du bist schuld.“, „Du hast es absichtlich gemacht.“ „Du wolltest mir / uns schaden.“ …)7

Das Kellner-Experiment

Gestaltpsychologie: gute Gestalt („kein Würfel, keine Kanten“) beeindruckende Grafik: Man sieht nicht in erster Linie die 8 Kreise mit Balken, sondern die „gute Gestalt“ dahinter: den Würfel mit den Kanten.

Beeindruckend ist aus meiner Sicht ein „Alltags-Experiment“ von Kurt Lewin, einem der Väter der Gestaltpsychologie. Lewin saß mit seinen Studenten in einem Café. Sie saßen 2 oder 3 Stunden zusammen und bestellten die verschiedenen Getränke und Mehlspeisen. Der Kellner hatte sich nichts aufgeschrieben und als es zum Zahlen kam, bekam jeder seine exakte Rechnung. Er hatte sich problemlos an alle Konsumation der Gäste erinnert. Als kurze Zeit später Lewin den Kellner bat, ihm eine zweite Rechnung auszustellen, sagte der Kellner, er weiß nicht, was er bestellt hatte. Die offenen Rechnungen waren offene Gestalten (unerledigte Geschäfte) und  und mit genug Energie geladen, um sich erinnern zu können. Waren sie bezahlt, so war die Gestalten geschlossen, waren „gute Gestalten“, die keine Energien mehr benötigten und auch innerlich „abgehackt“ wurden. Das Spannungssystem das bei der Bestellung aufgebaut worden war wurde mit der Bezahlung abgebaut.

 

Konstruktion

Das Bilden einer geschlossenen Gestalt ist eine Konstruktion unseres Gehirns. Am obigen Bild wird klar, das ist kein Würfel („The map is not the territory„), es ist auch nicht das Abbild eines Würfels, es sind Zeichen, die wir wahrnehmen und daraus einen Würfel konstruieren. Weitere Hinweise gibt es im Beitrag zum Konstruktivismus.

 

Die Lehre der Zeichen („Semiotik“) – ihre Teilgebiete und ihr Beitrag zur Konfliktlösung

Die Semiotik ist die Lehre der Zeichen, vor allem der sprachlichen Zeichen (Buchstaben, Wörter, Sätze, …), sowohl in natürlichen als auch in künstlichen Sprachen (Kunstsprachen, konstruierte Sprachen). Zu letzteren gehören auch die logischen Sprachen (z. B. Sprache der formalen Logik und Mathematik) als auch formale Sprachen (z. B. Programmiersprachen). Die Semiotik steht mit den Sprachwissenschaften (Linguistik) in Beziehung8

Die Semiotik umfasst drei Teilgebiete9:

  • Syntaktik: Sie beschäftigt sich mit den Beziehungen der Zeichen untereinander, z. B. Rechtschreibung, Grammatik, Syntax von Programmiersprachen, …
  • Semantik: Die Semantik ist die Bedeutungslehre. Sie beschäftigt sich mit der Bedeutung von Zeichen: Bedeutung von Wörtern, Sätzen, Texten, …
  • Pragmatik: Sie beschreibt und erklärt kontextabhängige (bezogen auf konkrete Situationen) und nicht-wörtliche Bedeutungen. So kann der Satz: „Das hast du aber wieder einmal sehr gut gemacht.“ ein wertschätzender Ausdruck sein, aber auch eine abschätzend kritische Bedeutung haben (ist dann zynisch gemeint, wenn z. B. eine Führungskraft das zu einem Mitarbeiter sagt, der gerade den gleichen Fehler zum wiederholten Male gemacht hat.)

Was sagt uns die Semiotik für Konflikt- und andere schwierige Kommunikations-Situationen?

  • Die Syntaktik spiel hier weniger Rolle, außer vielleicht, dass man soweit wie möglich natürlich sprechen sollte. Grammatikfehler spielen kaum eine Rolle. Im Gegenteil können sprachlich weniger exakte Ausdrucksweisen verständlicher sein als die exakte Hochsprache, z. B. Indikativ statt Konjunktiv. („Der Vater von Philipp sagte, er fühlt sich schlecht.“ statt Philipps Vater sagte, er fühle sich unwohl.“
  • In Bezug auf die Semantik ist zu sagen, dass es meist sinnvoll ist – vor allem in schwierigen Gesprächen -, soweit wie möglich in der Sprache des Gegenübers zu kommunizieren – aber ohne künstlich zu wirken. Das bedeutet, in einer nicht-akademischen Umgebung eher wenig Fremdworte zu verwenden und wissenschaftliche Ausdrucksweisen zu vermeiden. (Z. B. „Dieser Sachverhalt wurde vom CEO als weniger relevant attribuiert, da die Korrelation zum relativen Deckungsbeitrag negativ ist und die Ambiguität erhöht.“).
    Zudem ist es wichtig zu klären, ob wir unter bestimmten sprachlichen Ausdrücken das Gleiche verstehen? (z. B. effiziente Arbeitsweise, sparsamer Umgang mit den Finanzen oder dem Material, …)
  • Wichtig ist jedoch vor allem die Pragmatik, z. B. die pragmatische Analyse eines Gesprächs:
    • Warum sagt sie das? Was will sie damit bezwecken?
    • Was sagt er, was sagt er nicht?
    • Warum gehen bei diesem Thema die Emotionen durch?
    • Was will ich mit diesem Gespräch erreichen?
    • Was ist die Perspektive des Gegenübers? Welche Interessen hat er? .. welche Bedürfnisse?
Vier Seiten einer Nachricht und der Bezug zu Konflikten

Im Modell der vier Seiten einer Nachricht von Schulz von Thun wird der pragmatische Aspekt weiter aufgesplittet. Neben dem Sachaspekt werden noch 3 weitere Seiten einer Nachricht analysiert. Auch sie können dazu beitragen, Informations-Lücken aufzuspüren und zu schließen.

Ein Beispiel: Der Chef sagt zu seiner Sekretärin: „Es ist gleich 17 Uhr.“

  • Sachaspekt: Die Zeit-Information: es ist fast 17 Uhr.
  • Beziehungsaspekt: (Wie steht der Chef zu mir?) Was hält er von mir? Meint er, ich teile mir die Zeit schlecht ein? Hält er mich für unzuverlässig? Oder sorgt er sich um mich, dass ich nicht rechtzeitig nach Hause komme?
  • Selbstoffenbarung: (Was sagt der Chef über sich?) Z. B.: Ist ihm die Zeit so wichtig? Ist ihm wichtig, dass die Dinge alle erledigt werden? Ist ihm wichtig, dass ich pünktlich weggehe / keine Überstunden mache?
  • Appell: (Was will der Chef von mir? Was soll ich tun?)  (Mach das – bitte – fertig! Mach keine Überstunden! …)

Normalerweise sind sich weder Sender noch Empfänger über alle Aspekte der Nachricht bewusst (im Klaren). Manchmal kann das wichtig sein, und sollte geklärt werden, oft ist das auch weniger wichtig. Häufig haben wir Muster, auf welchen Kanälen wir bevorzugt senden und auf welchen wir bevorzugt empfangen. Auch darüber sollten wir bei uns im Klaren sein.

Bei der Klärung ist auch Vorsicht angesagt, sie kann bei weniger bewussten Menschen Aggressionen hervorrufen, z. B., wenn man nachfragt:

  • Warum sagst du das?
  • Was meinst du damit?
  • Willst du mir damit etwas sagen?
  • Warum fragst du?
  • Willst du, dass ich etwas mache?

Beispiel: A und B setzen sich im Wohnzimmer zum Kaffeetrinken zusammen. (Der Dialog ist nur zum Teil erfunden. 🙂

  • A: „Ah der Zucker ist noch in der Küche.
  • B: „Meinst du, ich soll ihn holen.“
  • A: „Nein, ich sag ja nur, wieso vermutest du immer eine versteckte Absicht hinter meinen Worten.“
  • B: „Warum hast du es dann gesagt?“
  • A: „Es war eine bloße Feststellung, ohne jede Absicht. Mir gehen deine Unterstellungen auf die Nerven.“
  • A (nach einigen Augenblicken): „Außerdem könntest du auch ohne blöde Bemerkungen den Zucker holen, schließlich habe ich doch vorher die Milch gebracht.“
  • B: „Aha, du hast also doch mit deiner Bemerkung beabsichtigt, dass ich den Zucker hole.“
  • A: „Weißt du was: Trink den Kaffee alleine. Mir reicht es.“

Das TALK-Modell

Oskar Neuberger hat ein (TALK.)Modell zur Kommunikations-Analyse entwickelt, das die gleichen Strukturelemente enthält wie die 4 Seiten einer Nachricht. Sie haben bloß andere Namen.10

  • T … Tatsachendarstellung (Information, Problemlösung)
  • A … Ausdruck (Selbst-Offenbarung und -Darstellung)
  • L … Lenkung (Beeinflussung, Manipulation)
  • K … Kontakt (Beziehung, Klima)

Die 4 Elemente des TALK-Modells dienen wie beim Modell von Schulz von Thun zur persönlichen Analyse der Muster des Ausdrucks und des Zuhörens. Um es auch für die Interaktionsanalyse brauchbar zu machen hat Neuberger ein 5. Element hinzugefügt11,

  • M … Metakommunikation (Kommunikation über die Kommunikation, Reden über das Reden. Es schafft Transparenz und Klarheiten für beide Seiten.

Tools

Map-Modelle der Kommunikation
Das Map-Modell der Kommunikation.

Das Map- / Landkarten-Modell ist die systemische Ausformung des Sender-Empfänger-Modells der Kommunikation.12

Dieses Modell enthält keinen eindeutigen Sender und Empfänger. Beide sind gleichzeitig Sender und Empfänger. Das entspricht dem ersten Axiom von Watzlawick.

“ Man kann nicht nicht kommunizieren.“13

 

Da man nicht nur verbal, sondern auch nonverbal kommuniziert, ist jedes Verhalten, auch Schweigen und Gesprächsverweigerung eine Kommunikation. Der Andere sagt mir vielleicht, dass er nicht kommunizieren will oder schmollt oder sich angegriffen fühlt oder … Also ist auch das ist für den Empfänger eine Information und der Prozess ein Kommunikation-Prozess.

Das Modell besagt, dass beide Teile kommunizieren, interagieren, Verhaltensweisen zeigen. Beide interpretieren das Verhalten des Anderen und die ganze Situation aus ihren kognitiven Landkarten, ihren Erfahrungen, ihren Ressourcen, ihren Wahrnehmungs- und Handlungs-Muster usw. Beide hören die Äußerungen des Anderen, beobachten seine Handlungen bzw. Verhaltensweisen des Anderen und interpretieren dies mit ihren Maps.  Aber interpretieren sie diese Äußerungen richtig? Das wissen sie nicht, selbst wenn sie glauben das zu wissen. Sichtbar, hörbar bzw. wahrnehmbar ist nur das äußere Verhalten incl. der verbalen Äußerungen. Warum sich die Person so verhält bzw. warum er das sagt was er sagt, weiß ich nicht, weil ich nicht seine Landkarten, seine Gedanken und Absichten kenne. Ich kenne (bestenfalls) meine eigenen Landkarten und Absichten14, ebenso das Verhalten und die Äußerungen des Anderen, nicht seine Landkarten. Dem Anderen geht es ähnlich.

Welche Tools stehen zur Verfügung, um auch in schwierigen Situationen gut kommunizieren und die lückenhaften Informationen schließen zu können.

Aktives Zuhören und aufmerksames Beobachten

Das geforderte Aktive Zuhören der klassischen Kommunikationsmodelle muss um Aufmerksames Beobachten ergänzt werden.

Aktives Zuhören ist die Königsdisziplin der guten Gesprächsführung. Es bedeutet, dem Anderen Raum zu geben, seine Sicht, seine Meinungen, sein Erleben störungsfrei darzustellen. Dabei ist auch wesentlich, die offenen, unklaren Stellen zu erkennen (und entweder sofort oder später) zu schließen.

 

Mitbildern

Die beste Art zuzuhören ist meist nicht das analytische „Mitdenken“, das verleidet nur zum Argumentieren, was eher zu einer Debatte als zur Lösung von schwierigen Gesprächen beiträgt. Besser ist es mitzubildern, um ein „big picture“ der Gesamtsituation zu bekommen.

 

Analyse der offene / unklare Stellen

Mitbildern ist die beste Möglichkeit die offenen, unklaren Stellen zu erkennen. Wo hat mein Bild leere Flecken oder Überlagerungen / Widersprüchlichkeiten?

 

Empathie

Das aktive Zuhören und Mitbildern sollte auch empathisch erfolgen. D. h., ich sollte in der Lage sein, mich in die Situation und Interessenslage des Gegenübers zu versetzen. Symbolisch gesprochen könnte man sagen, ich sollte mich „in seine Schuhe stellen“ und die Welt aus seiner Sicht sehen können. „Gehe drei Tage in den Mokassins des Anderen und du wirst ihn verstehen und helfen können.“ (oder auch besiegen können, wenn es dein Feind ist), so lautet angeblich ein alter Indianerspruch.

 

Perspektivenwechsel, Rekonstruktion, Reframing

Empathie ist ein wesentlicher Perspektivenwechsel, aber nicht der einzige. Je mehr Perspektivenwechsel du vornehmen kannst, desto großer ist die Chance, den Konflikt konstruktiv lösen bzw. ein Problem beseitigen zu können. Wie sieht das sein Partner, sein Chef, andere key player / Stakeholder? Das sind mögliche Perspektiven.

Probleme und Konflikte sind Konstrukte. Neue Perspektiven führen zu neuen Konstruktionen. Rekonstruktionen bzw. Reframing (das Problem in einen neuen Frame / einen neuen Rahmen stellen), sind Tools für Problem- und Konfliktlösungen.

 

Den Anderen verstehen

Aktives Zuhören, Mitbildern und Empathie ermöglicht es, den Anderen zu verstehen. Wenn es uns gelingt, Anderen wirklich zuzuhören, so, dass sich der Andere verstanden fühlt ist in Konfliktsituationen eine wichtige Voraussetzung, um beim Andern die Bereitschaft zu entfalten, mir zuzuhören und erhöht die Chance, selbst verstanden zu werden.

 

Nachfragen

Nachfragen ist neben dem aktiven Zuhören die zweite Königsdisziplin, um Probleme und Konflikte mit anderen zu lösen. Es gibt viele Techniken des Nachfragens. Wichtig ist, dass es offene Fragen sind, Fragen, die zur Exploration des Problems führen und nicht konfrontierende Fragen, die den Anderen nicht in die Enge treiben wie bei einem Verhör. Verstehendes Nachfragen ermöglicht mir, Verständnislücken zu schließen und Widersprüche aufzuklären.

 

Paraphrasieren und Zusammenfassen

Zum aktiven Zuhören gehört auch das Paraphrasieren. Das ist eine ‚Technik, die von Carl Rogers und seinem Ansatz der klientenzentrierten Therapie / Gesprächsführung stammt. Dabei versucht man, in regelmäßigen Abständen die Aussagen des Andren mit eigenen Worten zu wiederholen (reformulieren) und den Anderen zu ersuchen, dies zu bestätigen oder zu korrigieren. Das kann zu einem vertieften Verständnis beitragen. Bezieht sich die Reformulierung auf das ganze Gespräch oder größere Teile, so bezeichnet das als „Zusammenfassung“.

 

Querverweise

Literatur und Links

TALK-Modell (Oswald Neuberger), 4 Seiten einer Nachricht (Schulz von Thun).

Oswald Neuberger: Miteinander arbeiten – miteinander reden!. Vom Gespräch in unserer Arbeitswelt. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit. München. 15. Auflage. 1996. Aus: www.mentalhealthpromotion.net. http://www.mentalhealthpromotion.net/resources/miteinan.pdf. (full text). (1-1981).

Eva Stadler: TALK-Modell. Oswald Neuberger (1985). Aus: wirtrainieren.de. 2014.  https://wirtrainieren.de/werkzeugkoffer/talk-modell/.

 

Systemische Kommunikationsmodelle

Axel Janßen, Cornelia Schödlbauer: Systemisches Management-Coaching. Theorie und Praxis nach dem Coachingverständnis der Neuen Hamburger Schule (NHS) für Einzelne und Teams. managerSeminare Verlags GmbH. Hamburg 2017. (Leseprobe)

Axel Janßen et al.: Das Kommunikationsmodell im systemisch-konstruktivistischem Coaching. Aus: www.hamburger-schule.net. https://www.hamburger-schule.net/modelle/kommunikationsmodell/#top.

Ursula Stein: Ein systemisches Kommunikationsmodell für die räumliche Planung. In: Gabriela B. Christmann: Zur kommunikativen Konstruktion von Räumen. Theoretische Konzepte und empirische Analysen. Springer. Wiesbaden. 2016. . S. 223 – 239. DOI:  https://doi.org/10.1007/978-3-658-00867-3_10

 

Gestalt-Psychologie und – Therapie

Fritz Perls: Gestalt-Wahrnehmung. Verworfenes und Wiedergefundenes aus meiner Mülltonne. Frankfurt 1980. (1981)

Metzger, W.: Gesetze des Sehens. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt. 1975.

Koffka, K.: Principles of Gestalt Psychology. Harcourt and Brace. 1936.

Frederick S. Perls, Ralph F. Hefferline, Paul Goodman: Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. Klett-Cotta. 2007. (1-1979). (mit Leseproben). (full text aus www.weltbild.at. https://www.weltbild.at/artikel/buch/gestalttherapie-grundlagen-der-lebensfreude-und_14507477-1.)
Engl. Original: Frederick S. Perls, Ralph F. Hefferline, Paul Goodman: Gestalt Therapy. Excitement and Growth in the Human Personality. Gestalt Journal Press, 1994. (1-1973).

Frederik S. Perls: Gestalt-Therapie in Aktion. 2. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1976.

Yann SeyrerOptimalregulation. epubli. Berlin. 2012.

o. A.: Gesetz der guten Gestalt. Aus: Lexikon der Neurowissenschaft. www.spektrum. de. https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/gesetz-der-guten-gestalt/4678.

Bruno-Paul de Roeck: Gras unter meinen Füßen. Eine ungewöhnliche Einführung in die Gestalttherapie. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.

Stefan Blankertz, Erhard Doubrawa: Fitz Perls – Laura Perls – Paul _Goodman: Die Begründer der Gestalttherapie. In Gestaltkritik 2/2006. Aus: www.gestalt.de. http://www.gestalt.de/begruender-der-gestalttherapie.html#Seitenende.

Erhard Doubrawa, Stefan Blankertz: Einladung zur Gestalttherapie. Eine Einführung mit Beispielen. Hammer, Wuppertal 2005, ISBN 3-87294-847-4.

Daniela Schürmann: Von der Wichtigkeit, offene Gestalten zu schließen. Aus: www.daniela-schuermann.de. 12. Februar 2020. https://www.daniela-schuermann.de/wichtig-offene-gestalten-zu-schliessen.

 

Schwierige Gespräche – Harvard Gesprächs-Projekt

Douglas Stone, Bruce Patton, Sheila Heen: Difficult Conversations. How to Discuss What Matters Most. Pinguin. 2010. (dt.: Douglas Stone, Bruce Patton, Sheila Heen: „Offen gesagt. Erfolgreich schwierige Gespräche meistern. (Das Harvard-Gesprächs-Projekt).

Wahrnehmung, optische Täuschungen

Michael Bach: 99 Sehphänomene & Optische Täuschungen. Aus: michaelbach.de. https://michaelbach.de/ot/index-de.html.

https://gripse.de/illusion.

https://de.wikipedia.org/wiki/Optische_T%C3%A4uschung.

 

  1.   Vgl. dazu Oswald Neuberger: Miteinander arbeiten – miteinander reden!
  2. Hier sind die Statements. Bewerte sie mit „r“, „f“ oder „?“ je nachdem ob sie richtig, falsch oder fraglich sind.
    1. Lara geht nicht ins Kino.
    2. Fritz geht ins Kino.
    3. Fritz isst auswärts.
    4. Fritz isst zu Hause.
    5. Lara ist beim Abendessen dabei.
    6. Fritz hat Mutter informiert, dass Lara nicht ins Kino geht.
    7. Fritz hat vorher schon mit dem Vater über den Film gesprochen.
    8. Fritz ist der Sohn von Jürgen.
    9. Lara ist die Schwester von Fritz.

  3.   Das sind die vorgeschlagenen Lösungen:
    1. ? Lara geht nicht mit ihrer Freundin ins Kino, vielleicht geht sie alleine.
    2. ? Fritz hat die Kinokarten bekommen. Es ist ungewiss, ob er ins Kino geht. Er könnte die Karte z. B. auch weitergeben.
    3. ? Fritz ist zum Abendessen nicht zu Hause. Ob er auswärts isst, ist ungewiss.
    4. f  Fritz ist zum Abendessen nicht da.
    5. ? Darüber wird nichts ausgesagt. Vielleicht geht sie mit ihrer Freundin woanders hin, um zu essen. Oder sie isst gar nichts.
    6. ? Mutter ist informiert, aber wer sie informiert hat, ins ungewiss.
    7. ? Ist ungewiss. Z. B. könnte Lara mit ihm über den Film gesprochen haben oder …
    8. r
    9. r

  4.   Zur Problematik des Realitätsbegriffs vgl. den Beitrag zum Konstruktivismus.   
  5.   Vgl. Watzlawick, Kommunikation. 
  6.   Vgl. z. B. Daniela Schürmann: Von der Wichtigkeit, offene Gestalten zu schließen. . 
  7.   Vgl.  Douglas Stone, Bruce Patton, Sheila Heen: „Offen gesagt..
  8.   Meist wird die Linguistik als Teilgebiet der Semiotik angesehen, da sie sich nur mit sprachlichen Zeichen auseinandersetzt.  Die Semiotik umfasst alle Zeichen-Systeme, auch Symbolen, Bilderschriften, Körpersprache, Formeln, Verkehrszeichen, … 
  9.   Es gibt auch andere Einteilungen der Teilgebiete der Semiotik, z. B. im Rahmen des Strukturalismus.
  10.   Vgl.  Oswald Neuberger: Miteinander arbeiten – miteinander reden!.  
  11.   Vgl. auch Eva Stadler: TALK-Modell.  
  12.   Ein alternatives Kommunikationsmodell stammt von der „Neuen Hamburger Schule“ (NHS), das vor allem zur Anwendung im Coaching entwickelt wurde (Vgl. Axel Janßen et al.: Das Kommunikationsmodell im systemisch-konstruktivistischem Coaching. ):

    .

  13.   Watzlawick, Kommunikation. Vgl. den Beitrag: Nein, ich kommuniziere nicht! – Die Axiome von Paul Watzlawick.
  14.    Der Unterschied zwischen Absicht und Verhalten wird besonders im Harvard-Modell der Konflikt-Kommunikation betont. Vgl. dazu die Hinweise zum „Harvard Gesprächs-Projekt“ im Betrag zu den Teamkonflikten auf der Basis von Douglas Stone, Bruce Patton, Sheila Heen: Difficult Conversations.  

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