Feedback ist ein wichtiges Führungs- und Entwicklungs-Instrument in Organisationen.
Es fördert unsere Leistungen und Leistungsfähigkeit, entwickelt unsere Stärken und Talente, klärt Erwartungshaltungen, hilft bei der Problemlösung, hilft unserer Laufbahnentwicklung usw.
Trotzdem wird Feedback in Organisationen nur selten konstruktiv und produktiv angewendet.
Sheila Heen und Douglas Stone, zwei Autoren des Harvard-Konzepts der Gesprächsführung in Konflikt-Gesprächen („difficult conversations“2) haben ein Konzept, eine Vorgangsweise entwickelt, um sich in 6 Schritten zu einem besseren Feedback-Nehmer zu entwickeln 3
1. Kenne deine Tendenzen („know your tendencies“)
Wir alle haben das ganze Leben hindurch Feedback bekommen und haben Muster, wie wir darauf ‚typischerweise‘ reagieren. 4 Vielleicht wehre ich mich gegen negatives Feedback oder hinterfrage den Feedback-Geber oder die Methode der Rückmeldung oder lächle außen, aber es rumort in mir oder …
Was sind Deine Reaktionsmuster auf positives und negatives Feedback?
2. Entwirre das „Was“ vom „Wer“ („disentangle the ‚what‘ from the ‚who‘ ”)
Wenn das Feedback den Punkt trifft und vielleicht von guten Ratschlägen begleitet ist, dann sollte es egal sein, vom wem es kommt. Ist es aber nicht. Häufig werten wir Rückmeldungen von Personen, zu denen wir keine gute Beziehung haben, ab.
3. Nimm das Feedback als Coaching-Element („sort toward coaching“)
- Es gibt wertendes Feedback: „Ich gebe dir eine 4.“
- Und es gibt Feedback mit Coaching-Qualitäten, bei dem keine Wertung im Vordergrund ist: „Das ist ein Punkt, wo du leicht Verbesserungen erzielen kannst.“
Die beiden Arten von Feedback und sind oft nicht leicht auseinanderzuhalten und wir brauchen beide:
- Wertendes Feedback zeigt uns, wo wir stehen und was von uns erwartet wird.
- Coaching-Feedback hilft uns in unseren Lern- und Entwicklungs-Prozessen und allgemein, uns zu verbessern – in unserem Verhalten, unseren Leistungen, unseren Ergebnissen.
Es ist förderlich, Feedback, das wir im Alltag bekommen vor allem als (Selbst-)Coaching-Qualität anzusehen und anzunehmen.
4. Entpacke das Feedback („unpack the feedback“)
Oft ist nicht sofort klar, ob das Feedback ‚trifft‘ / gültig und nützlich ist oder nicht. Oft ist die erste innere Reaktion eine Ablehnung „Stimmt ja gar nicht“, „Bin ich ja nicht“, „Mach ich gar nicht.“ oder Relativierung „Ist ja nur einmal vorgekommen.“ „Mach ich ja nur weil…“ „Tu ich nur selten …“, „Stimmt nur, wenn (mich jemand reizt oder die Unwahrheit sagt.)“
Daher ist es sinnvoll,
- gleich nachzufragen, z. B. „Kannst Du mir ein Beispiel dafür geben?“, „Mach ich das aus deiner Sicht ständig oder nur in Konfliktsituationen?“, „Was findest du daran besonders problematisch?“
- das Feedback noch in der „Schwebe“ halten und noch weiter nachdenken und es analysieren, bevor wir das Feedback annehmen oder ablehnen. Das ist besonders sinnvoll, wenn das Feedback uns emotional trifft und uns ‚aufgewühlt‘ hat.[1, Ein hoher Wert an Ambiguitätstoleranz erleichtert es Personen, Beurteilungen in Schwebe zu halten.]
5. Hol dir aktiv Feedback und frage jeweils nur nach einem Feedback-Element („ask for just one thing“)
Feedback wird leichter akzeptiert, wenn man es selbst initiiert, wenn man selbst nachfragt. Und oft ist das für den Feedback-Geber auch leichter, kritisches Feedback zu geben, wenn er/ sie konkret dazu befragt wird. Warte nicht auf das ‚große Feedback‘ im jährlichen Mitarbeitergespräch, sondern hole dir auch unter dem Jahr Feedback zu unterschiedlichen Bereichen von unterschiedlichen Personen.
Feedback ist den Geber auch leichter, wenn wir nicht ein unspezifisches Feedback einholen („Sag mir alles, was du über mich denkst.“) sondern wenn wir spezifische Qualitäten („Wie erlebst du mich in stressigen Situationen?) oder Verhalten in spezifischen Situationen erfragen („Wie hast du mich im gestrigen Gespräch mit … erlebt?)
6. Mache kleine Experimente („Engage in small experiments“)
Auch wenn wir gelernt haben, uns laufend und auf breiter Basis Feedback zu holen, ist es oft nicht einfach zu klären, was du dir wirklich zu Herzen nehmen und ändern solltest. Die Idee von Heen and Stone ist, dies in kleinen Experimenten zu klären.5 Löse dich von deinen Gewohnheiten, steig aus deiner Komfort-Zone aus und mache etwas ganz anders.
- Zeig eine ganz andere Reaktion z. B. auf schwierige Forderungen deines Chefs (z. B. statt „Geht nicht, habe dazu leider keine Zeit“, anders: „Ich versuche es einzuplanen und die Prioritäten anders zu setzen und unterbreite Ihnen morgen einen Vorschlag dazu.“)
- mach eine ganz andere Präsentation
- ändere deine Wochenplanung
- …
Werte deine Erfahrungen selbst aus und hol dir dazu Feedback.
Querverweise:
-
- Die Kunst der kleinen Schritte – Selbstmanagement mit Saint-Exupéry.
- Kritik-Gespräche.
- Führungs-Gespräche. (Übersichtsblog)
- Was macht Führungsgespräche wirksam?.
- Kommunikations-Sünden.
- Feedback – eine oft vernachlässigte Führungsaufgabe.
- Rückmeldung geben ohne zu verletzen.
- Offene Kommunikation und das Johari-Fenster.
Literatur und Links
Das Harvard-Gesprächs-Projekt
Douglas Stone, Bruce Patton, Sheila Heen: Offen gesagt!: erfolgreich schwierige Gespräche meistern. Goldmann. 2001.
Sheila Heen and Douglas Stone: Find the Coaching in Criticism. In: Harvard Business Review. 92 (1-2) 2014. S. 108 – 111. . Aus: hbr.org. https://hbr.org/2014/01/find-the-coaching-in-criticism.
Auch aus: medschool.duke.edu. https://medschool.duke.edu/sites/medschool.duke.edu/files/field/attachments/find-the-coaching-in-criticism.pdf.
Harvard Law School: Website des Program of negotiation. (PON). Aus: pon. harvard.edu. https://www.pon.harvard.edu/about/welcome/.
Matthew Eriksen, Kevin Cooper: Shared-Purpose Process: Implications and Possibilities for Student Learning, Development, and Self-Transformation. February 2017. Journal of Management Education. 41(1):105256291768989. DOI: 10.1177/1052562917689890.
(Perspektivischer) Inkrementalismus
Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Der Zauber Platons. Mohr Siebeck 2003. (1 – 1957).
- Weitere Literaturhinweise in Die Kunst der kleinen Schritte – Selbstmanagement mit Saint-Exupéry.
- In diesem Wettbewerb werden moderne Persönlichkeiten in alte Gemälde eingeführt. Mehr dazu in worth1000 ↵
- Offiziell als „Harvard Gesprächs-Projekt“ bezeichnet. Vgl. Douglas Stone, Bruce Patton, Sheila Heen: Offen gesagt!: erfolgreich schwierige Gespräche meistern; (das Harvard-Gesprächs-Projekt) Dies ist Teil des umfassenderen Projekts „PON“ ↵
- Sheila Heen and Douglas Stone: Find the Coaching in Criticism , darin der Abschnitt: „Six Steps to Becoming a Better Receiver“ ↵
- Diese Tendenzen entsprechen meinen Persönlichkeits-Stilen bzw. meinen Abwehr-Mechanismen. ↵
- Der Ansatz der „small experiments“ von Heen and Stone entspricht der „Idee der kleinen Schritte“ bzw. des (perspektivischen) Inkrementalismus – vgl. dazu den Beitrag: Die Kunst der kleinen Schritte – Selbstmanagement mit Saint-Exupéry. ↵